Warum hohe Gewinne nicht automatisch tiefe Stromtarife bedeuten
Von: mm/f24.ch
Konsumentinnen und Konsumenten sind aktuell nicht zu beneiden: Die Mieten steigen, das Generalabonnement wird teurer und auch das Briefporto wird – schon wieder – angehoben, um nur einige Beispiele zu nennen. Und nun kommt auch noch die Strombranche mit höheren Tarifen, obwohl einige Stromproduzenten im Frühjahr vielerorts satte Gewinne vermeldeten. Schnell kommen da der Verdacht und auch Vorwürfe auf, dass die Produzenten die Verbraucher «abzockten» und auf deren Rücken Milliardengewinne generierten.
Nun, so naheliegend diese Vorwürfe auf den ersten Blick scheinen mögen, so falsch sind sie bei genauerem Hinsehen eben auch. Denn die Stromtarife in der Schweiz sind durchreguliert – jedenfalls für Verbraucher in der Grundversorgung, also für all jene Verbraucher, die ihren Stromlieferanten nicht selbst wählen können, die sogenannt gefangenen Kunden.
Die anderen – die Grossverbraucher, die über 100 Megawattstunden pro Jahr verbrauchen – können ihren Strom am Markt beziehen und individuelle Preisverhandlungen führen. Und sie können diese Verträge respektive ihren Lieferanten jederzeit wechseln. Das können die gefangenen Kunden nicht, da der Markt nicht vollständig geöffnet ist.
Hier soll es aber um die Verbraucher in der Grundversorgung und deren Stromtarife gehen. Diese Tarife werden 2024 im Median um 18% steigen, wie die ElCom (die eidgenössische Elektrizitätskommission) am 5. September kommuniziert hat. Anders als bei den Strompreisen für Grossverbrauchskunden sind die Stromversorgungsunternehmen in der Gestaltung der Tarife für Verbraucher in der Grundversorgung aber alles andere als frei:
So müssen die Eigenproduktion zu Gestehungskosten und die am Markt eingekaufte Energie zu Anschaffungskosten in die Grundversorgung einfliessen. Ausserdem erlaubt die ElCom Verwaltungs- und Vertriebskosten (inklusive Gewinn) von nur 60 Franken pro Kunde und Jahr, Ausnahmen müssen begründet und nachgewiesen werden. Der Netznutzungstarif basiert ebenfalls auf regulierten Kosten.
Die Grundversorger müssen nicht nur diese gesetzliche Vorgaben bei der Festlegung der Stromtarife berücksichtigen, sondern sie sind auch verpflichtet, die Tarife der ElCom zu melden. Als unabhängige staatliche Regulierungsbehörde überwacht diese, dass die gesetzlichen Vorgaben bei der Tarifgestaltung eingehalten werden und interveniert, falls nötig.
Der Stromtarif in der Grundversorgung setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: Der Energietarif ist der eigentliche Preis für den gelieferten Strom. Der Netznutzungstarif ist der Preis für die Nutzung von Übertragungs- und Verteilnetz und finanziert den (Aus-)Bau, Betrieb und Unterhalt der Netze. Auch Abgaben für die Wasserkraftreserve im Winter und für Reservekraftwerke wie im aargauischen Birr sowie Konzessionskosten oder Wasserzinsen an Kantone und Gemeinden sind Teil des Netznutzungstarifs. Der Netzzuschlag ist eine weitere Abgabe, mit der in der ganzen Schweiz erneuerbare Energien gefördert werden. Und schliesslich kommen auch noch Abgaben an Gemeinwesen und Kantone hinzu.
Aber grundsätzlich: Warum steigen die Stromtarife schon wieder? Zum einen trägt die anhaltende Energiekrise massgeblich dazu bei. Die Strompreise am Grosshandelsmarkt sind 2021 unter anderem aufgrund von höheren Brennstoff- und CO2-Preisen, historisch niedrigen Füllständen in den Gasspeichern sowie Kraftwerksausfällen und -abschaltungen massiv angestiegen.
Zum anderen verschärfte sich die bereits angespannte Preissituation mit dem Krieg in der Ukraine und der europaweiten Trockenheit weiter und erreichte im August 2022 historische Höchstwerte. Die Versorger mussten damals trotz der sehr hohen Preise Energie für das Jahr 2024 und die Folgejahre einkaufen.
In der Zwischenzeit hat sich die Preissituation zwar etwas entspannt, die Marktpreise sind verglichen mit den Jahren vor 2021 aber weiterhin überdurchschnittlich hoch. Die aktuellen, nicht mehr ganz so hohen Preise am Grosshandelsmarkt werden sich erst auf die Stromtarife 2025 auswirken.
Der Strompreis teilt in dieser Hinsicht sein Schicksal mit den Preisen für Benzin und Diesel, die während der Krise ebenfalls stark anstiegen und trotz einer gewissen Erholung auch heute noch immer über dem Vorkrisenniveau liegen. Und da die europäische Energiekrise noch nicht ausgestanden ist, ist auch die kurz- und mittelfristige Entwicklung beim Strom ungewiss.
Und was ist mit den eingangs erwähnten Milliardengewinnen? Warum haben die keinen Einfluss auf die Stromtarife? Profitieren hier gar die Stromproduzenten auf Kosten der in der Grundversorgung gebundenen Verbraucher? «Nein, denn ihre Gewinne fahren die Produzenten mit dem Verkauf ihres Produkts am Markt ein, nicht mit der Grundversorgung», ertklärt Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Die vielgescholtenen Axpo und Alpiq beispielsweise hätten gar keine Kunden in der Grundversorgung, sondern verkauften ihren Strom am Markt an Grosskunden.
Doch was geschieht stattdessen mit den Gewinnen der grossen Produzenten? Nun, neben Steuern schütten die Unternehmen einen Teil in Form von Dividenden an ihre Eigentümer aus. Weil es sich bei diesen Eigentümern in der Regel um Kantone, Städte, Gemeinden oder deren Werke handelt, kommen die Gewinne so der Gesellschaft indirekt zugute.
Einen grossen Teil investieren die Energieproduzenten aber auch in die Wartung und die Erneuerung der Strominfrastruktur. Aktuell erfolgen viele dieser Investitionen in Wasserkraft, Windanlagen und PV, um Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Auch hier profitiert die Allgemeinheit: einerseits, weil durch diese neuen Anlagen die Klimaziele schneller erreicht werden, andererseits weil eine intakte und moderne Infrastruktur Basis für die Versorgungssicherheit ist.
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