Swatch weiht «Schlange-Hauptsitz» ein
Von: mm/f24.ch
Nach fast fünf Jahren Bauzeit weihte gestern der Uhrenkonzern Swatch seinen neuen Hauptsitz in Biel ein – eine der weltweit grössten Holzkonstruktionen aus der Feder des japanischen Stararchitekten Shigeru Ban. Dieses Gebäude, das ein neues Kapitel in der Geschichte der Marke einläuten soll, fordert Konventionen heraus
Der neue Swatch-Hauptsitz in Biel (Fotos: Swatch)
Auf insgesamt 240 Meter Länge und 35 Meter Breite erstreckt sich die schimmernde, geschwungene Silhouette des neuen Swatch Gebäudes. An seinem höchsten Punkt misst die Fassade 27 Meter. Das aussergewöhnliche Design bricht mit den Konventionen klassischer Bürohaus-Architektur und fügt sich in die städtische Umgebung ein. Die Form des Gebäudes weckt die Fantasie – wie bei einem Kunstwerk liegt die Interpretation im Auge des Betrachters.
Die gewölbte Fassade mit einer Fläche von über 11‘000 m2 Fläche steigt Richtung Eingang und Übergang zur Cité du Temps sanft an. Aussen wie innen durchziehen verschiedene Leitmotive die Architektur des Gebäudes mit geschwungenen Formen, Farben und Transparenz sowie dem ungewöhnlichen Einsatz klassischer Materialien und Bauelemente.
Eine Holzgitterkonstruktion bildet das Grundgerüst der grossflächigen Fassade. Der traditionelle Werkstoff wurde aufgrund seiner ökologischen und nachhaltigen Eigenschaften gewählt. Holz lässt sich ausserdem flexibel verarbeiten und äusserst präzise zuschneiden – wichtige Eigenschaften für eine Konstruktion, bei der es auf Millimeter ankommt. Moderne 3D-Technologie hatte während der Planung dabei geholfen, die genaue Form und Positionierung der insgesamt rund 4‘600 Balken der Holzgitterschale zu definieren.
Mit einem ausgeklügelten Steckprinzip wurden die einzelnen Balken passgenau miteinander verbunden. Da die Holzgitterschale des Swatch Gebäudes als grossflächige Bürofassade dient, musste sie zudem verschiedenen technischen Anforderungen gerecht werden. Ein komplexes Geflecht aus Leitungen ist diskret in ihre Struktur integriert.
Noch während die Holzkonstruktion errichtet wurde, begann der Einbau der insgesamt rund 2‘800 Wabenelemente, die den grössten Teil der Fassade ausmachen. Jedes Element wurde aus bis zu 50 Einzelteilen sorgfältig massgeschneidert und seiner individuellen Funktion und Position angepasst. Drei Arten von Waben lassen sich grundsätzlich unterscheiden: das opake, das transluzente und das transparente Element.
Das reguläre opake Element stellt die Mehrheit der Waben dar. Es handelt sich um ein geschlossenes Element mit extrem witterungsbeständiger und lichtundurchlässiger Aussenfolie, das in erster Linie als Sonnenschutz dient. Einige dieser Elemente lassen sich zur Entrauchung öffnen, während andere mit Fotovoltaikzellen versehen sind. Das transluzente Kissenelement wiederum ist mit Luft aufgepumpt und in der Mitte zur Wärmedämmung mit lichtdurchlässigen Polycarbonate-Platten versehen.
Insgesamt neun Balkone mit einer Grösse von 10 m2 bis 20 m2 gewähren auf mehreren Etagen Aus- und Einblicke. Winzige weisse Punkte auf den Glasfassaden dienen als Sonnenschutz. 124 hölzerne Schweizer Kreuze an der Decke verbessern dank ihrer feinen Perforierung die Akustik in den Büros.
Das Gebäudeinnere
Im Inneren des Gebäudes verteilen sich insgesamt 25’000 m² Geschossfläche auf fünf Stockwerke für alle Abteilungen von Swatch International sowie Swatch Schweiz. Die Fläche der vier oberen Etagen verringert sich schrittweise von Etage zu Etage. Galerien mit Glasbrüstungen ermöglichen einen Blick auf die unteren Etagen.
Neben den regulären Arbeitsplätzen sind über das ganze Gebäude Gemeinschaftsflächen verteilt: eine Cafeteria im Erdgeschoss, die allen Swatch Angestellten und ihren Besuchern offensteht, sowie kleine Pausenzonen an verschiedenen Stellen im Gebäude.
Wenn Privatsphäre benötigt wird, stehen separate «Alcove Cabins» zur Verfügung, in denen bis zu sechs Mitarbeiter Platz finden für Telefongespräche oder konzentriertes Arbeiten. Eine besonders ungewöhnliche Installation befindet sich ganz am Ende des zweiten Stockwerks: eine Treppe ins Nichts – sogenannte «Reading Stairs», deren Stufen und Ausblicke in Kreativpausen zum Brainstorming unter Kollegen einladen. Fünf schwarze Olivenbäume erstrecken sich bis zu zwei Stockwerke in die Höhe. Der immergrüne Bucida buceras fühlt sich bei Raumtemperatur äusserst wohl und behält das ganze Jahr über seine feinen Blätter.
Der Architekt
Der 1957 in Tokio geborene Gewinner des Pritzker-Preises 2014 Shigeru Ban ist für seine filigranen Strukturen und unkonventionellen Methoden sowie für seinen massgeblichen Beitrag zu Innovation und Menschlichkeit in der Architektur bekannt.
Die Swatch Group arbeitete zum ersten Mal beim 2007 eröffneten Nicolas G. Hayek Center in Tokio mit dem Architekten zusammen. 2011 konnte sich sein Entwurf für den Neubau des Swatch Hauptsitzes, der neuen Omega Manufaktur und der Cité du Temps im Architekturwettbewerb der Swatch Group durchsetzen. Shigeru Ban überzeugte dabei besonders mit seinem originellen und gleichzeitig pragmatischen Konzept. Ausserdem hatte er die vorhandenen Gebäude und die Umgebung berücksichtigt und in das Projekt einbezogen.
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