Baselbieter alt Nationalrat Miesch bleibt rechtlich imun
Von: mm/f24.ch
Die Immunitätskommission des Nationalrates (IK-N) hat sich zum ersten Mal mit der Frage befasst, ob die Schutzwirkung der Immunität auch für strafbare Handlungen gilt, welche während der Amtszeit begangen worden sind, die Person zum Zeitpunkt der Strafverfolgung jedoch aus dem Amt ausgeschieden ist. Sie hat dies bejaht und ist einstimmig auf das Gesuch um Aufhebung der Immunität Baselbieter alt Nationalrat Christian Miesch eingetreten. Anschliessend hat sie mit 5 zu 3 Stimmen entschieden, seine Immunität nicht aufzuheben.
alt Nationalrat Christian Miesch
Die Bundesanwaltschaft hatte mit Gesuch vom 23. April 2018 die Aufhebung der Immunität von alt Nationalrat Christian Miesch beantragt und um die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen Sich bestechen lassen (Art. 322quater StGB) und Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB) ersucht.
Christian Miesch wird verdächtigt, als Nationalrat und Sekretär der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan für die Einreichung der Interpellation „Mutmassliche Veruntreuung von Staatsgeldern der Republik Kasachstan. Was tut die Schweiz?“ bei Dr. Thomas Borer am 4. April 2015 Rechnung in der Höhe von CHF 4'635.00 für ein Jahresabonnement der SBB gestellt zu haben. Borer hatte als Lobbyist für das kasachische Justizministerium gearbeitet.
Die Kommission hat alt Nationalrat Christian Miesch angehört. Er machte geltend, dass er die in Frage stehende Interpellation aus eigenem Antrieb eingereicht habe und diesbezüglich keine Interessenvertreter an ihn herangetreten seien. Er sei als Gründer der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan sowie als dessen Sekretär schon lange mit Kasachstan verbunden.
Er habe zudem im März 2015 angekündigt, dass er nicht mehr für den Nationalrat kandidieren werde. Die Aufgabe als Sekretär der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan habe er aber noch bis 2017 mit grossem Engagement ausgeübt. Aus diesem Grund, habe er es als gerechtfertigt erachtet, seine Spesen – u.a. für die Reisetätigkeit als Sekretär – in Rechnung zu stellen.
Die für die Behandlung der Immunitätsaufhebungsgesuche zuständigen Kommissionen beider Räte (Immunitätskommission des Nationalrates und Rechtskommission des Ständerates) haben sich – im Gegensatz zur Frage des Beginns des Immunitätsschutzes – noch nie explizit zur Frage des Endes des Schutzes der relativen Immunität geäussert.
Die Kommission folgt einstimmig der Auffassung des Bundesgerichts und geht davon aus, dass die relative Immunität nicht nur den reibungslosen Gang des Parlamentsbetriebs, sondern auch die Interessen der Ratsmitglieder bzw. der von der Bundesversammlung gewählten Behördenmitgliedern und Magistratspersonen schützt.
Der Immunitätsschutz soll u.a. auch verhindern, dass deren Verhalten während der Amtsausübung wegen der allfälligen späteren Verwicklung in Strafverfahren beeinflusst wird. Insbesondere bezüglich Delikte, welche wie im vorliegenden Fall nur in Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter verübt werden können, erachtet es die Kommission als besonders stossend, wenn die mit der amtlichen Funktion einhergehende Schutzwirkung der relativen Immunität nach Ausscheiden aus dieser Funktion wegfallen würde, zumal auch die Strafbarkeit dieser Handlungen zwingend an die amtliche Stellung geknüpft ist. Der unmittelbare Zusammenhang mit der amtlichen Stellung und Tätigkeit blieb als weitere Voraussetzung für das Eintreten in der Kommission unbestritten.
In einem zweiten Schritt hat die Kommission mit 5 zu 3 Stimmen entschieden, die Immunität von alt Nationalrat Christian Miesch nicht aufzuheben. Die Kommission geht u.a. angesichts der Höhe der in Frage stehenden Rechnung und der Tatsache, dass es sich lediglich um eine Interpellation handelte, von einem tiefen Unrechtsgehalt des Verhaltens von alt Nationalrat Miesch aus. Sie kommt daher zum Schluss, dass vorliegend die institutionellen Interessen des Parlaments gegenüber dem rechtsstaatlichen Interesse an der Strafverfolgung überwiegen und eine Aufhebung der Immunität unverhältnismässig wäre.
Ein Strafverfahren stelle für einen amtierenden Nationalrat eine starke Beeinträchtigung seiner Amtsausübung dar. Auch die Aussicht auf allfällige Strafverfahren nach dem Rücktritt aus dem Rat könne das Verhalten der Mitglieder des Parlaments beeinflussen, was für die Aufrechterhaltung der Immunität spreche.
Die Minderheit ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall zu viele Fragen ungeklärt geblieben sind und der im Raum stehende Verdacht der Vorteilsannahme und des Sich bestechen lassen nicht aus dem Weg geräumt werden konnte. Für das Vertrauen in die Institution Parlament erachtet sie es als wichtig, dass im Rahmen eines Strafverfahrens allen offenen Fragen nachgegangen werden könnte.
Am 21. August 2018 wird die Rechtskommission als zuständige Kommission des Ständerates das Gesuch behandeln. Bei gleichlautendem Beschluss der ständerätlichen Kommission ist der Entscheid definitiv. Sollte die Kommission des Ständerates einen abweichenden Beschluss fällen, würde das Geschäft zur Differenzbereinigung an die Immunitätskommission des Nationalrates zurückgehen.
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