Wie WhatsApp, Signal & Co die Privatsphäre gefährden
Von: Mareike Hochschild
Forschungs-Teams der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Würzburg zeigen, dass populäre mobile Messenger persönliche Daten über Kontaktermittlungsdienste preisgeben. Diese ermöglichen, Kontakte anhand von Telefonnummern aus dem persönlichen Adressbuch zu finden.
Nach der Installation eines mobilen Messengers wie WhatsApp können Nutzer*innen direkt mit ihren Kontakten interagieren, deren Telefonnummern in ihrem Adressbuch gespeichert sind. Dafür müssen die Nutzenden der App die Erlaubnis erteilen, auf ihr Adressbuch zuzugreifen und dieses regelmässig zum Kontaktabgleich an die Server des Dienstanbieters hochzuladen.
Eine aktuelle Studie eines Teams von Forscher*innen der Secure Software Systems Group an der Universität Würzburg und der Cryptography and Privacy Engineering Group an der TU Darmstadt zeigt, dass derzeit verwendete Methoden zur Kontaktermittlung die Privatsphäre von weit mehr als einer Milliarde Nutzenden massiv bedrohen.
Unter Verwendung sehr weniger Ressourcen war das Team in der Lage, praktikable Crawling-Angriffe auf die populären Messenger WhatsApp, Signal und Telegram durchzuführen. Die Experimente zeigen, dass bösartige Nutzende oder Hacker in grossem Stil und ohne nennenswerte Einschränkungen sensible Daten sammeln können, indem sie bei Diensten zur Kontaktermittlung zufällige Telefonnummern abfragen.
Angreifer können genaue Verhaltensmodelle erstellen
Für die umfangreiche Studie haben die Forscher*innen 10% aller Mobilfunknummern in den USA für WhatsApp und 100% für Signal abgefragt. Dadurch waren sie in der Lage, persönliche (Meta-) Daten zu sammeln, wie sie üblicherweise in den Nutzerprofilen der Messenger gespeichert sind, inklusive Profilbilder, Nutzernamen, Statustexte und die „zuletzt online“ verbrachte Zeit.
Die analysierten Daten offenbaren auch interessante Statistiken über das Nutzerverhalten. Beispielsweise ändern sehr wenige Nutzende die standardmässigen Privatsphäre-Einstellungen, die für die meisten Messenger ganz und gar nicht Privatsphäre-freundlich sind.
Das Team fand heraus, dass ungefähr 50% aller WhatsApp-Nutzer*innen in den USA ein öffentliches Profilbild haben und 90% einen öffentlichen Infotext. Interessanterweise verwenden 40% aller bei Signal Registrierten (von denen man allgemein vermuten würde, dass sie mehr um ihre Privatsphäre besorgt sind) auch WhatsApp, und die Hälfte von diesen hat ein öffentliches Profilbild bei WhatsApp.
Solche Daten über die Zeit zu verfolgen verhilft Angreifenden dazu, genaue Verhaltensmodelle zu erstellen. Wenn die Daten mit sozialen Netzen und anderen öffentlichen Datenquellen abgeglichen werden, können Dritte auch detaillierte Profile erstellen und beispielsweise für Betrugsmaschen nutzen.
Bezüglich Telegram fanden die Forscher*innen heraus, dass der Dienst zur Kontaktermittlung auch die Anzahl möglicher Kontakte für die Besitzer*innen von Telefonnummern preisgibt, die nicht bei dem Dienst registriert sind.
Welche Informationen während der Kontaktermittlung preisgegeben und über Crawling-Angriffe gesammelt werden können, hängt vom Dienstanbieter und den gewählten Privatsphäre-Einstellungen ab.
Beispielsweise übertragen WhatsApp und Telegram das komplette Adressbuch der Nutzenden an entsprechende Server. Privatsphäre-schützende Messenger wie Signal übertragen nur kurze kryptographische Hashwerte von Telefonnummern oder verlassen sich auf vertrauenswürdige Hardware.
Die Forschungs-Teams zeigen jedoch, dass es mit Hilfe neuer und optimierter Angriffsstrategien dennoch möglich ist, innerhalb von Millisekunden von den Hashwerten auf die zugehörigen Telefonnummern zurückzuschliessen. Noch gravierender, da es keine nennenswerten Hürden für die Registrierung bei solchen Messengern gibt, ist dies: Dritte können eine grosse Anzahl an Accounts erstellen und die Nutzerdatenbanken eines Messengers nach Informationen durchforsten, indem Daten für zufällige Telefonnummern abgefragt werden.
„Wir empfehlen bei der Verwendung von mobilen Messengern dringend, sämtliche Privatsphäre-Einstellungen zu überprüfen. Dies ist derzeit der effektivste Schutz gegen unsere untersuchten Crawling-Angriffe“ sind sich Prof. Alexandra Dmitrienko (Universität Würzburg) und Prof. Thomas Schneider (TU Darmstadt) einig.
Auswirkungen der Forschungsergebnisse
Die Forschenden haben ihre Erkenntnisse mit den jeweiligen Dienstanbietern geteilt. WhatsApp hat seine Schutzmassnahmen daraufhin derart verbessert, dass grossangelegte Angriffe nun erkannt werden und Signal hat die Anzahl möglicher Abfragen reduziert, um Crawling zu erschweren.
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