Unwesentlich wesentlich - Warum Teekannen immer tropfen
Von: Florian Aigner
Der „Teapot-Effekt“ wurde schon vielen blütenweissen Tischtüchern zum Verhängnis: Wenn man eine Flüssigkeit aus einer Kanne ausgiesst, dann kann es passieren, dass sich der Flüssigkeitsstrom nicht sauber von der Kanne löst und seinen Weg nicht in die Teetasse findet, sondern stattdessen entlang der Kanne nach unten rinnt.
Nun schliesst sich der Kreis, indem der Teapot-Effekt an der TU Wien, erneut unter die Lupe genommen wurde – von einem Team rund um Dr. Bernhard Scheichl, Dozent am Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung und Key Scientist am Österreichischen Exzellenzzentrum für Tribologie (AC2T research GmbH), in Kooperation mit dem Department of Mathematics am University College London.
„Obwohl es sich um einen ganz alltäglichen und scheinbar simplen Effekt handelt, ist es bemerkenswert schwierig, ihn im Rahmen der Strömungsmechanik exakt zu erklären“, sagt Bernhard Scheichl. Entscheidend ist die scharfe Kante an der Unterseite des Teekannen-Schnabels: Dort bildet sich ein Tropfen, die Stelle direkt unterhalb der Kante bleibt stets benetzt.
Die Grösse dieses Tropfens hängt davon ab, mit welcher Geschwindigkeit die Flüssigkeit aus der Kanne fliesst. Wenn eine bestimmte Geschwindigkeit unterschritten wird, kann dieser Tropfen dafür sorgen, dass der gesamte Strahl um die Kante herum gelenkt wird und an der Teekanne nach unten abfliesst.
„Uns ist es nun erstmals gelungen, eine vollständige theoretische Erklärung dafür zu liefern, warum sich dieser Tropfen bildet und die Unterseite der Kante immer benetzt bleibt“, sagt Bernhard Scheichl.
Die Mathematik dahinter ist kompliziert – es handelt sich um ein Zusammenspiel aus Trägheit, viskosen und kapillaren Kräften. Die Trägheitskraft sorgt dafür, dass die Flüssigkeit die Tendenz hat, ihre ursprüngliche Richtung beizubehalten, die Kapillarkräfte hingegen bremsen die Flüssigkeit an der Schnabeloberfläche ab. Das Zusammenspiel dieser Kräfte ist die Grundlage des Teapot-Effekts.
Allerdings sorgen die Kapillarkräfte dafür, dass der Effekt nur ab einem ganz bestimmten Kontaktwinkel zwischen Wand und Flüssigkeitsoberfläche auftritt. Je kleiner dieser Winkel ist oder je hydrophiler (also benetzbarer) das Material des Schnabels ist, umso stärker wird die Ablösung der Flüssigkeit vom Schnabel gebremst.
Tee im Weltraum
Interessanterweise spielt die Stärke der Schwerkraft im Verhältnis zu den anderen auftretenden Kräften dabei keine entscheidende Rolle. Die Schwerkraft legt bloss die Richtung fest, in die der Strahl gelenkt wird, ihre Stärke ist für den Teapot-Effekt aber nicht entscheidend. Beim Teetrinken auf einer Mondbasis wäre der Teapot-Effekt also auch zu beobachten, auf einer Raumstation völlig ohne Schwerkraft hingegen nicht.
Die theoretischen Berechnungen zum Teapot-Effekt publizierte das Forschungsteam im September 2021 im Fachjournal „Journal of Fluid Mechanics / Zeitschrift für Strömungsmechanik“. Nun wurden auch noch Experimente durchgeführt: Mit unterschiedlichen Durchflussraten wurde Wasser aus einer geneigten Teekanne gegossen und mit Spezialkameras gefilmt. So konnte man genau zeigen, wie die Benetzung der Kante unterhalb einer kritischen Ausgussgeschwindigkeit zum „Teapot-Effekt“ führt, die Theorie wurde somit bestätigt.
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