Skelette erzählen von harten Schicksalen
Von: Dr. Gerhard Hotz
Dort, wo heute in Basel der St. Johanns-Park steht, befand sich im 19. Jahrhundert der Friedhof des Basler Bürgerspitals. Zurzeit bauen die IWB eine Leitung durch das Gelände. In einer Rettungsgrabung bergen nun Archäologen die historisch und wissenschaftlich wertvollen Gräber und Skelette und hoffen damit wichtige Lücken in der Basler Stadtgeschichte zu schliessen.
Zwischen 1845 und 1868 diente der heutige St. Johanns-Park als Friedhof des Basler Bürgerspitals. Im 19. Jahrhundert wurden hier über 2‘500 Menschen hauptsächlich aus der sozialen Unterschicht Basels bestattet. Sie alle waren zur Behandlung ins Bürgerspital gekommen und dort verstorben.
Einzigartige Quellenlage
Bereits in den Jahren 1988/89 wurden bei den Bauarbeiten zur Anlage des heutigen Parks 1‘061 Gräber freigelegt, dokumentiert und anthropologisch untersucht. Glücklicherweise sind von vielen der namentlich identifizierbaren Bestatteten die Krankenakten im Staatsarchiv erhalten geblieben.
Dank des Bürgerforschungsprojekts Basel-Spitalfriedhof wurden über 800 Krankenakten transkribiert sowie tausende von Patientendaten und die Basler Volkszählung von 1850 erfasst.
Diese einzigartige Quellenlage ermöglicht die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Archäologen, Anthropologen, Genealogen und Historikern. So ist das Forschungsprojekt gerade für die Medizingeschichte äusserst wertvoll.
Die Forschenden legen nun nochmals zwischen vierzig bis fünfzig der wichtigsten Gräber frei, anschliessend werden die Skelette geborgen und für die Wissenschaft konserviert und archiviert. Bei den Grabungen, die bis zum 10. April andauern, sind rund vierzig Studierende im Einsatz.
Stimmen vom Rande der Gesellschaft
Im Zuge der Frühindustrialisierung verdoppelte sich zwischen 1800 und 1850 die Stadtbevölkerung Basels. In diesen unruhigen Zeiten zog es viele Menschen auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Stadt. Das Basler Bürgerspital diente vor allem dieser sozialen Unterschicht, den Bedürftigen und Zugezogenen, als Auffangstation. Die meisten Patienten lebten in prekären Verhältnissen: ihre Skelette und Krankenakten zeugen von körperlich äusserst harter Arbeit und schlechten hygienischen Verhältnissen.
Anhand der Grabungen in den 80er Jahren und den Akten im Staatsarchiv konnten die Forschenden bereits einige dieser berührende Einzelschicksale rekonstruieren. Eine kleine Plakatausstellung im Pavillon des St. Johann-Parks zeugt davon. Beispielsweise wird da die Geschichte der Näherin und Magd Babette Sachser erzählt, die mit gerade mal 25 Jahren verstarb: Sie kam laut Krankenakte am 4. Dezember 1865 mit Wehen ins Spital, wo man an ihr den ersten dokumentierten Kaiserschnitt in Basel durchführte.
Das Kind kam gesund zur Welt, doch Babette Sacher verstarb einen Tag später. Ihr Skelett zeigt, dass die Näherin, vermutlich aufgrund einer Fehlfunktion der Schilddrüse, nur 122cm gross wurde und ihr Becken zu klein für eine normale Geburt war. Bei der Freilegung ihres Grabes fehlte dem Skelett das Becken, man hatte es damals zu Lehrzwecken entnommen.
«Es ist uns besonders wichtig, diesen Menschen, die ansonsten kaum Spuren in der Geschichte hinterlassen haben, mit unserer Forschung eine Stimme zu geben», so Hotz. «Aufgrund der spärlichen schriftlichen Quellen, ist wenig über den sozialen Alltag der sozialen Unterschicht bekannt, wir hoffen, dass unsere Arbeit hier einige Lücken der Basler Stadtgeschichte schliessen kann.»
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- Mühevolle Handarbeit: Skelett um Skelett wird sorgfältig freipräpariert. (Foto: Universität Basel, Roland Schmid)