Neuausrichtung der Energiepolitik ist machbar, aber…
Von: mm/f24.ch
Die bundesrätliche Energiestrategie 2050 ist in ihren Grundzügen ambitioniert, aber technisch machbar. So lautet eine der zentralen Erkenntnisse des Trialogs. Inwiefern die Strategie umgesetzt werden kann, hängt aber vom politischen Willen im Parlament und den Kantonen ab. Entscheidend ist zudem, wie die Bevölkerung die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der energiepolitischen Massnahmen beurteilen wird. Deshalb sind sorgfältige Güterabwägungen unumgänglich, lautet das Resümee im gemeinsamen Schlussbericht vom Kanton Aargau, economiesuisse und WWF.
Nach dem Reaktorunfall von Fukushima im März 2011 und vor dem Hintergrund eines sich rasch verändernden europäischen Strommarktes will der Bundesrat die Energiepolitik neu ausrichten. Der Strategiewechsel hat in Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft zu gemischten Reaktionen mit teils gegenläufigen Aussagen geführt.
Der Kanton Aargau, economiesuisse und WWF Schweiz haben deshalb mit dem „Trialog Neue Energiepolitik“ eine Diskussionsrunde mit weiteren neun Verbänden aus Wirtschaft und Umwelt ins Leben gerufen.
Ziel des Trialogs war es, die Energiestrategie 2050 zu analysieren und zu plausibilisieren. In einem professionell geführten, wissenschaftsbasierten Dialog wurden die Energiestrategie 2050, deren Realisierbarkeit und die Konsequenzen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt diskutiert. Jetzt liegt der Schlussbericht vor.
Güterabwägungen sind notwendig
Die Trialog-Teilnehmer haben in wesentlichen Punkten eine gemeinsame Einschätzung erarbeitet. Grundsätzlich ist man sich einig, dass die Energiestrategie 2050 des Bundesrates technisch machbar ist. Die Basisannahmen erscheinen aus heutiger Sicht plausibel.
Hervorzuheben ist aber, dass der Bund ambitionierte Zielsetzungen verfolgt. Die Umstellung ist mit Kosten verbunden und basiert auf Annahmen zu Sparpotenzialen und zu Potenzialen von neuen erneuerbaren Energieträgern, deren Grössenordnung heute nicht vollständig absehbar ist. Wie bei fast allen politischen Entscheiden entstehen Zielkonflikte.
Die Energieversorgung soll sicher, umwelt-, sozialverträglich und wirtschaftlich sein. Die zum Teil divergierenden Erwartungen verlangen deshalb nach sorgfältigen Güterabwägungen. Sie bilden die Voraussetzung für einen Entscheid, der gemeinsam vom Bund, von den Kantonen und der Bevölkerung getragen werden kann.
Es gibt noch viele offene Fragen und die Unsicherheiten über die künftigen Entwicklungen sind gross. Neu entstehende Pfadabhängigkeiten sollten deshalb vermieden werden.
Verstärkte Massnahmen zur Förderung der Energieeffizienz
Unbestritten ist, dass grosse Sparpotenziale beim Energieverbrauch vorhanden sind. Dies unter anderem beim Verkehr, in der Industrie und bei den Gebäuden. Die vorgesehene Verstärkung des Gebäudeprogramms wird zur Zielerreichung als ungenügend betrachtet. Auch bei einem Systemwechsel muss die Finanzierung des Gebäudeprogramms in Abstimmung mit den Kantonen gesichert sein.
Der Trialog bevorzugt anstelle von Subventionen einen Ausbau marktwirtschaftlicher Instrumente wie zum Beispiel Lenkungsabgaben oder Elemente einer ökologischen Steuerreform. Deshalb empfiehlt der Trialog bei der Prüfung neuer Massnahmen verstärkt auf marktnahe Lösungen zu setzen.
Unterschiedliche Betrachtung der erneuerbaren Energien
Die Potenziale von Solar- und Windstrom werden von den Teilnehmern uneinheitlich eingeschätzt. Es besteht dennoch Konsens, dass eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien längerfristig als technisch machbar erscheint. Voraussetzung für den Ausbau sind aber weitere Fortschritte bei der Speicherung, dem Netzausbau und dem Markt-Design. Zudem soll dieser näher am Markt erfolgen. Sowohl für die Wirtschafts-, als auch die Umweltverbände haben die Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit eine hohe Priorität.
Die Wege dazu werden aber unterschiedlich gesehen. Einig ist man sich darin, dass der Ausbau der Klein- und Kleinstwasserkraftwerke nicht weiter gefördert werden soll. Denn die Zusatzproduktion an Energie fällt im Verhältnis zu den negativen ökologischen Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu gering aus. Deutlich abgelehnt wird die Idee der Subventionierung von Anlagen zur fossilen Wärme- oder Stromerzeugung.
Die starke Förderung der erneuerbaren Energien wie Windkraft und Photovoltaik im Ausland, führt zu Zeiten mit starkem Sonnenschein oder starken Winden zu einem Überangebot an Strom. Die Folge sind kurzfristige Strompreiszerfälle mit weitreichenden Folgen: Der Erlös an der Strombörse verringert sich, die Einspeisevergütung steigt, während gleichzeitig konventionelle Kraftwerke – auch die traditionelle Wasserkraft – aus dem Markt verdrängt werden. Der Strommarkt braucht deshalb dringend neue Regeln.
Der Trialog empfiehlt, die Neuausrichtung der Energiepolitik im Sinne einer rollenden Planung anzugehen und einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz zu wählen, der auch die externen Effekte der Energieversorgung berücksichtigt. Den politischen Entscheidungsträgern empfiehlt der Trialog, neben den Ergebnissen aus Modellrechnungen auch die Auswirkungen der politischen Entscheide genau zu verfolgen und ganz besonders die Entwicklungen im Ausland und deren Konsequenzen für die Schweiz in die Überlegungen einzubeziehen.
Neben den Initianten Kanton Aargau, economiesuisse und WWF Schweiz haben folgende Organisationen am Trialog Neue Energiepolitik teilgenommen: Agentur für Erneuerbare Energien, Greenpeace Schweiz, Gruppe Grosser Stromkunden, Kantonale Energie-direktorenkonferenz, swisscleantech, Swissmem, Verband der Schweizerischen Gasindustrie, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen sowie Schweizerischer Verband der Telekommunikation.
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