Lustwandeln durch die jüngere Geschichte Rheinfeldens
Von: Hans Berger
Wenn der Rheinfelder Stadtammann Franco Mazzi für seine Stadt wirbt, zitiert er häufig die beinah schon poetische Erkenntnis des einst heimischen, den Neoklassizismus vertretenden Architekten Heinrich A. Liebetrau (1886-1953) „die kleine Stadt mit den grossen Erinnerungen.“ Braucht es noch einen Beweis, dass dem so ist, liefert diesen das Fricktaler Museum mit seiner neusten Ausstellung „Rheinfelden - anno dazumal und heute. Menschen und Orte.“
Lustwandeln durch die jüngere Geschichte Rheinfeldens
Ein Titel, der fälschlicherweise suggeriert, als sei die Ausstellung vorwiegend auf die Rheinfelder Bevölkerung ausgelegt. Weil jedoch Liebetraus Analyse tatsächlich Hände und Füsse hat, sind Rheinfeldens Erinnerungen von überregionaler Bedeutung.
Da den Besuchern der aktuellen Ausstellung im Fricktaler Museum vieles irgendwie vertraut ist, fällt ihnen das Eintauchen in die Geschichte und diese in Relation zur heutigen Zeit setzen zu können etwas leichter, wie wenn selbiges Ausstellungs-Konzept über eine andere, einem fremde Stadt orientieren würde.
Einst und heute
Symptomatisch für die Ausstellung ist auch, dass sie zwar in dem erstmals vor rund 600 Jahren urkundlich erwähnten Haus zur Sonne stattfindet, der Ausstellungsraum indes den Vergleich mit einem sechshundert Jahre jüngeren nicht zu scheuen braucht.
Interessant ist zudem, dass den BesucherInnen nicht die komplexe 1‘166-jährige Geschichte der Zähringerstadt präsentiert wird, sondern „lediglich“ deren letzte, überschaubaren, mit der heutigen Zeit noch in Verbindung stehenden rund 160 Jahre.
Also just mit der zweiten industriellen Revolution beginnt. Das heisst, dem Aufstieg neuer Führungssektoren, insbesondere der chemischen Industrie und der Elektrotechnik, welche die damalige Welt genauso veränderte wie dies die momentan laufende, vierte industrielle Revolution tun wird.
Lustwandeln
Genial ist der Teppich der Ausstellung, dessen Design eine 1880 erstellte, die heutige Gegebenheiten integrierte Karte darstellt. So kann Rheinfelden vom westlich gelegenen Weiherfeld bis zum östlichen Theodorshof mit wenigen Schritten durchquert, ohne Schweisstopfen über hundert Meter Höhendifferenzen überwunden, im Nu schnell ein Abstecher nach Nollingen gemacht und zusätzlich - fest auf dem Boden stehend - Rheinfelden von oben betrachtet werden.
Annoncier-Säulen
Der Clou allerdings sind die ebenfalls zu jener Zeit vom Berliner Drucker Ernst Litfass erfundenen und nun von der Konservatorin, resp. Leiterin des Fricktaler Museums, Kathrin Schöb Rohner, reaktivierten Litfasssäulen. Ganz ihrer Daseinsberechtigung entsprechend versorgen die zwölf blauen „Annoncier-Säulen“ ihre Inspizienten mit allerlei - manchmal kaum zu fassenden - Informationen über die verflossenen 160 Jahre.
Besonders spannend sind die an Hörstationen erzählten Rückblenden. So ist zu erfahren, dass vor rund 160 Jahren auf dem Inseli noch Wäsche gewaschen wurde, eine Tätigkeit, die wohl die meisten Zuhörer eher dem Mittelalter zuordnen. Aber auch was Stadtammann Franco Mazzi (*1959) aus seiner Jugendzeit zu berichten weiss, mutet eher an, als hätte er Jahrgang 1859.
Und wie bereits erwähnt, kann der aufgezeite industrielle Werdegang zwischen 1860 und 2017 aufgrund der Liquidation einst gewichtiger Firmen und grossen Arbeitgebern unter die Haut gehen und ist, verknüpft mit der heutigen Zeit, beinah live mitzuerleben. So, dass vielleicht einige der BesucherInnen Mahatma Gandhi zitierend: „Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt“ die Ausstellung verlassen, sie jedoch aus den gewonnenen, intensiven Eindrücken - und vielleicht verbunden mit der leisen Hoffnung, dass damit Gandhis These dereinst widerlegt wird - wärmstens weiterempfehlen.
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