Rheinfelden mutiert zeitweilig zur Unistadt
Von: Hans Berger
Die Schweiz hat bekanntlich zehn Universitätsstädte, ab 1. September 2017 indes darf wohl mit Fug und Recht auch Rheinfelden den Titel für sich in Anspruch nehmen, schliesslich geben sich dann für vier Tage zwischen 2‘500 bis 3‘500 Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins (StV) ein Stelldichein.
OK Zentralfest Rheinfelcen (v.l.) Dr. Thomas Kirchhofer v/o Erpel, Eric Roeleven v/o Public, Vizepräsident Christoph Bucher v/o Floskel, Ivan Lima v/o Ufrächt, Präsident Magnus Willers v/o Hopper
„Soll‘n sie doch“ dürfte wohl die Eine und der Andere denken, „denn spätestens ab Dienstag, 5. September ist Rheinfelden ja wieder eine ganz normale regionale Kleinstadt.“ Wenn sie sich da mal nur nicht irren! Am vergangenen Montag jedenfalls war anlässlich der Generalversammlung des Vereins Zentralfest Rheinfelden zu erahnen, dass die Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins (StV) durchaus in der Lage sind, an ihrem viertägigen Zentralfest das Zähringerstädtchen nachhaltig auf den Kopf zu stellen.
„Hypothese“
Denn es sollte nicht vergessen werden, dass der 1841 gegründete StV bis in die 1990er Jahre Sammelpunkt der kath.-konservativen und christlichdemokratischen Elite der Schweiz war und bis in die 1970er Jahre im Bundesbern zahlreiche Ratssitze vereinnahmte, wie an der GV von Dr. Michael Wicki zu erfahren war. Na ja - und wer weiss, ob am Samstag, 10.30 Uhr im Kurbrunnensaal der StV mit seinem öffentlichen Vortrag „Arbeitsmarkt und Integration: Chancen und Risiken“ das Volk nicht zur Revolution anzettelt? Dieser Hypothese allerdings widerspricht das Teilnehmerfeld.
„Antithese“
Nicht so ganz ins Revoluzzerbild passt jedoch auch der Verlauf der vergangenen Montag in der Schlösslistube von Magnus Willers alias „Hopper“ geleiteten Generalversammlung, welche auf Geheiss des Vize-Präsidenten Christoph Bucher alias „Floskel“ mit einem lateinisch gesungenen Studentenlied eröffnet wurde.
„Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus; post iucundam iuventutem, post molestam senectutem nos habebit humus.“ Zugegeben, für Nicht-Lateiner widerlegen diese Worte die vorangegangene These noch lange nicht, die deutsche Übersetzung dürfte jedoch jeglichen Argwohn in Luft auflösen: „Freuen wir uns also, solange wir jung sind! Nach einer lustigen Jugend, nach einem mühsamen Alter wird uns die Erde haben.“ Mit einer weiteren Strophe hiess die Versammlung Altregierungsrat Roland Brogli alias „Motta“ willkommen, womit die Antithese wohl endgültig obsiegt hat.
Geselligkeit
Das eine Bild geht, das andere kommt: Über Studentenverbindungen kursieren viele Mythen und Halbwahrheiten. Narben im Gesicht, eigenwillige Trink -und Feierrituale, Seilschaften bis in die höchsten Zirkel der Macht sind wohl die gängigsten Gerüchte.
Doch die Realität ist vielschichtig, das Spektrum gross: Manche Verbindungen existieren seit dem 19. Jahrhundert nahezu unverändert, andere haben sich aktuellen Strömungen angepasst. Dazu gehört auch der StV. Gemeinsam ist ihnen die Liebe zur Tradition und ein eher konservatives Weltbild.
Der Alkohol nimmt bei den meisten Verbindungen einen weitaus geringeren Stellenwert ein als Aussenstehende sich das vielleicht vorstellen. Zwar sind bei den Studentenverbindungen harte Sachen verpönt, aber gegen 1,2,3…. Bierchen haben wohl nur wenige Mitglieder eine echte Abneigung. Denn neben der Anreicherung von Wissen dominiert vor allem das gemeinsame Festen, wie auch dem Programm des Rheinfelder Zentralfestes zu entnehmen ist.
Ein Novum in der langjährigen Geschichte des Zentralfestes ist am Sonntag, 3. September um 14.30 Uhr der grenzüberschreitende Cortège mit dem SBB-CEO Andreas Meyer als Festredner.
Zahlreiche weitere öffentliche Veranstaltungen wie der Begrüssungsanlass am Freitagabend, der Fackelumzug am Samstagabend um 21 Uhr oder am Sonntagmorgen ein Festgottesdienst mit Bischof Felix Gmür bieten Gelegenheit, die Losung des Studentenvereins: „amicitia (Freundschaft), scientia (Wissenschaft) und virtus (Tugend)“ eingehend zu studieren und analysieren.
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»