„Griff nach den Sternen“ im Fricktaler Museum
Von: Hans Berger
Grundsätzlich sind die Schweizer stolz auf ihre Geschichte, auf die Neutralität, die direkte Demokratie, die friedliche Koexistenz der vier Landessprachen, die Wirtschaft, bis vor wenigen Jahren auch auf die Banken oder die Swissair. All das trifft sicher auch auf die Aargauer und Fricktaler zu. Die Ausstellungen sowohl im Museum Schiff in Laufenburg wie auch jene vom Fricktaler Museum in Rheinfelden unter dem Titel „die Eidgenossen kommen“ sind zwar höchst interessant, hinterlassen aber den Eindruck, als ob dem Titel das Wort „Hilfe“ vorangehen müsste.
„Griff nach den Sternen“ im Fricktaler Museum
Im Grunde genommen hat die Schweiz zwei Wiegen, die eine steht auf dem Rütli, die andere im Aargau. Jene auf dem Rütli wurde 1291 platziert und jene im Aargau 1415 mit der Vertreibung der Habsburger durch die Eidgenossen, womit aufgrund der strategischen Lage des Aargaus zwischen den verschiedenen Orten der Eidgenossenschaft der Weg zur späteren Staatenbildung der Eidgenossenschaft geebnet wurde.
Ungebeten
Im Unterschied zu anderen Schlachten wurden die Eidgenossen von den „Aargauern“ nicht gerufen, sondern sie kamen einfach, verbreiteten Angst und Schrecken und unterjochten das Volk aufs Neue. Wichtig zu wissen: am Fricktal zeigten die Eidgenossen kein Interesse und blieben daher von deren Gräueltaten verschont.
Spiegelbild
Diese 600 Jahre zurückliegenden Aggressionen scheinen zumindest die Macher der Aargauer Retrospektive „Die Eidgenossen kommen“ den Eidgenossen bis heute noch nicht verziehen zu haben. Ja, es entsteht gar der Eindruck, als wolle der Aargau der übrigen Schweiz den Spiegel vorhalten und ihr laut zurufen: „Seht nur her, wie böse ihr mit uns wart“.
Befreiungsschlag
Gewiss, das Negative ist besonders in einer Bestandsaufnahme nicht zu beschönigen und muss beim Namen genannt werden. Da aber die heutigen AargauerInnen und FricktalerInnen genauso stolze Eidgenossen sind wie die Mehrheit der übrigen BürgerInnen der Schweiz, war die Vertreibung der Habsburger durch die alten Eidgenossebn für die AargauerInnen und FricktalerInnen letztlich doch ein Befreiungsschlag.
Ein Aspekt, den weder die Ausstellung im Museum Schiff in Laufenburg unter dem Titel „Die Waldstädte 1415 - Bäuerliches und städtisches Leben in kriegerischen Zeiten“ (f24.ch berichtete), noch die Sonderausstellung „Griff nach den Sternen!“ im Fricktaler Museum beleuchtet.
Nichtsdestotrotz, beide Ausstellungen sind sehenswert, spannend, erweitern das geschichtliche Wissen und offenbaren schonungslos, dass der Mensch in vielen Bereichen noch der gleiche geblieben ist wie vor 600 Jahren.
Gestern wie heut
Dies verdeutlicht vor allem die Ausstellung „Griff nach den Sternen!“, welche übrigens nicht im Fricktaler Museum, sondern neben der Kapuzinerkirche in der Ringmauerscheune domiziliert ist. Da die Scheune eigentlich alten Landwirtschaftsgeräten vorbehalten ist, bilden diese eine hervorragende Ausgangsbasis zum Eintauchen ins Mittelalter des 15. Jahrhunderts.
So wirkungsvoll platzierte Redewendungen wie: „Es kommt darauf an, wen man vor den Schlitten spannt“, „Geld fährt auf dem hohen Schlitten, arm muss zu Fuss gehen“, "Wenn der Futtertrog leer ist, leidet nicht nur Kuh und Kalb“, oder: „Nur was man im Korb auf den Markt trägt, kann auch jemand nach Hause tragen“, lassen erstmal aufhorchen und beamen die LeserInnen jedoch in Lichtgeschwindigkeit in das Hier und Heute zurück.
Erschreckend daran ist, feststellen zu müssen, dass diese und viele andere in der Ausstellung zu findenden Lebensweisheiten offensichtlich sowohl für die Gesellschaft des 15. wie für jene des 21. Jahrhunderts den Nagel auf den Kopf treffen. Diese Erkenntnis bestätigt sich mehr oder weniger dann auch in den ab Band zu vernehmenden oder auf Tafeln zu lesenden, spannenden Erzählungen von Zeitzeugen.
Erkenntnis
Wer in die an Dramatik kaum zu toppende Aargauer Geschichte eintauchen will, muss dies mit der grossen Sauerstoffflasche tun, um alsdann nach den neun Sternen des Rheinfelder Wappens greifen zu können, welche übrigens die Rheinfelder Tugenden Biederkeit, Ehre, Glaube, Freiheit, Rechtschaffenheit, Regsamkeit, Todesverachtung, Treue und Uneigennützigkeit symbolisieren.
Aha, vielleicht ist dies der vorgängig vermisste positive Aspekt. Denn, wenn für die Rheinfelder Ausstellung „Die Eidgenossen kommen“ der Untertitel „Griff nach den Sternen!“ verwendet wird, bedeutet dies doch eigentlich, dass die Rheinfelder vor der Invasion noch tugendenlos waren und erst dank den vorbildlichen, tapferen, aufrichtigen Eidgenossen nach den neun Sternen zu greifen begannen.
Ist doch so! Oder etwa doch nicht?
Ausstellung
Die Sonderausstellung findet in der Ringmauerscheune statt (neben der Kapuzinerkirche Rheinfelden) und ist jeweils Di, Sa und So von 14-17 Uhr zugänglich.
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»