Stadtmusik Rheinfelden zog ostwärts
Von: Hans Berger
Beim Jahreskonzert der Stadtmusik Rheinfelden vom vergangenen Samstag im Bahnhofsaal zeigte sich einmal mehr: das Ensemble liebt, sucht und findet die musikalische Herausforderung, was beinah unweigerlich zu einer Abwendung von harmonischen Klangfarben führt. Wenn die musische Reise ausserdem noch „ostwärts“, so der Titel des Konzerts, geht, kann sich dann auch das Publikum nicht einfach wohlig in den Stühlen zurücklehnen.
Stadtmusik Rheinfelden zog ostwärts
Die Grossen „Kleinen“
Klar, bei einer solchen Vorgabe wollte sich auch die „Wind Band“, das Jugendblasorchester der Musikschule Rheinfelden-Kaiseraugst, nicht lumpen lassen und setzte mit ihrem Mini-Konzert unter der Leitung von Edward Cervenka die Messlatte für die nachfolgende Stadtmusik recht hoch an. Bereits mit der ersten symphonischen Komposition „In All Its Glory“ von James Swearingen wurde die Wind Band ihrem Motto „Es lebe die Musik! Es lebe die Jugend“ vollumfänglich gerecht und spielte damit zudem manch andere sogenannte „grosse Musik“ in den Schatten.
Desgleichen der Trompeter Thomas Stucki, welcher völlig cool vor das Publikum stand und ein brillantes Solo hinschmetterte, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt wäre. Falls dann wider Erwarten jemand dem Schlaflied „Lullaby“ erlag, wurde diese Person beim Disco-Medley mit so Hits wie „Stayin' Alive“ oder „YMCA“ unsanft aus ihren Träumen gerissen. Das Publikum jedenfalls war aus dem Häuschen und dessen enthusiastischer Schlussapplaus nicht nur eine Höflichkeitsfloskel.
Intro
Till Eulenspiegel (1300-1350) gilt noch immer als grösster Narr mit Geisteskraft aller Zeiten. Dessen Schalk und Sprunghaftigkeit ist in Søren Hyldgaards „The King’s March“, mit dem die Stadtmusik Rheinfelden unter der Leitung von Jonathan Graf ihr Jahreskonzert glanzvoll eröffnete, nachvollziehbar.
Benja Luka
Dass das Leben nicht nur harmonische Seiten hat und besonders in Kriegen extrem disharmonisch verlaufen kann, wiederspiegelt sich in „Benja Luka“, eine unter die Haut gehende, den Atem beinah zum Stillstand bringende Komposition von Jan de Haan. Der Krieg ist vielfach Gegenstand von Kompositionen, deren Thema dann meist die Trauer und die Sehnsucht nach Frieden ist.
Mit „Benja Luka“ führte die Stadtmusik ihr Publikum jedoch mitten in die disharmonischen Wirren des Bosnienkrieges (1992-1995). Jan de Haans Werk ist wohl eine der eindrücklichsten Antikriegskompositionen. So wie der Krieg, ist auch das Stück kaum zu ertragen. Aber so wie das Wegschauen bei einem Krieg ist auch das Weghören falsch. Eine Musik über den Krieg kann nicht schön sein und wenn doch, dient sie einzig der Irreführung der Zuhörerschaft.
Es kann ja schon schwierig sein, harmonische Werke eindrücklich zu interpretieren, erst recht Disharmonische. Wer’s kann ist ein Meister, die Rheinfelder Stadtmusik konnte es.
Wilde Horde
So heissblütig wie die Wodka saufenden, russischen Kosaken ihren Kasatschok tanzen, so feurig spielten die Rheinfelder Musikantinnen und Musikanten „Cossack Capers“ vom englischen Komponisten Derek Bourgeois. Aber eigentlich ist der wilden Horde damit zuviel Ehre angetan, denn sie massakrierten ihre Nachbarn, plünderten, vergewaltigten, machten Aufstände und verbündeten sich mit den Feinden der Zaren. Ihnen zu begegnen war damals wohl nicht derselbe Zuckerschleck wie dem Spiel der Stadtmusik zuzuhören.
Fingertanz
Im Balkan ist der Komponist und Musiker Goran Bregović ein Superstar, füllt mit Leichtigkeit Stadien und wenn er die Schnellpolka „Soferska“ spielt, kommt sein Publikum so richtig in Fahrt. Weil jedoch dieses „Soferska“ zwar den Rhythmus einer böhmischen Polka, jedoch nicht deren melodiöse Klangfarbe hat, vermochte das Orchester damit niemanden von den Stühlen zu reissen. Hingegen quittierten die Sitzengebliebenen den rasanten, instrumentalen Fingertanz der Musikerinnen und Musikern mit einem stürmischen Applaus.
Sidi Abdel Assar
Mit „Arabesque“ verliess die Stadtmusik nun endgültig die abendländische Musik und bewies, dass sie auch orientalisch musizieren kann. Auch wenn der informativ durchs Programm führende Moderator Pepi Gonzales nicht darauf hingewiesen hätte, dem Plenum wäre kaum entgangen, dass „Arabesque“ die Atmosphäre eines orientalischen Marktes schildert.
Ob es jener Ort war, an dem Mani Matters „Sidi Abdel Assar vo El Hama“ die Tochter von „Mohamed Mustafa“ traf, konnte der Moderator nicht schlüssig beantworten. Hingegen bekundete er, dass Mario Bürki Mani Matters Lied im Auftrag der Rheinfelder Stadtmusik für ein Blasorchester arrangiert hat, wodurch das Auditorium einer echten Uraufführung beiwohnen konnte.
Feuerwerk
Ein weiteres Highlight war der von Dominik Burgherr auf dem Xylophon gespielte „Hummelflug“ von Nikolai Rimski-Korsakov. Die danach vom Publikum enthusiastisch geforderte Zugabe beglich der achtzehnjährige Perkussionist keine Spur weniger imponierend mit einem spritzigen Csárdás. Nach dem Abstecher in die heimische Klangwelt tauchte die Stadtmusik Rheinfelden abschliessend nochmals in jene von Tausendundeine Nacht ein und quittierte den frenetischen Beifallssturm mit zwei Zugaben.
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