Wähler-Bilanz zur Legislaturhalbzeit
Von: mm/f24.ch
Die Wähleranteile aller Parteien sind seit 2015 erstaunlich stabil geblieben. Während sich bei Wahlen in den Nachbarländern (Frankreich, Deutschland und Österreich) massive Verschiebungen in den Wählerpräferenzen ergaben, ist die Schweiz ein Hort der Stabilität. Das sind die Hauptergebnisse des Wahlbarometer Oktober 2017. Realisiert wurde die Umfrage von der Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der SRG SSR.
Die Gewinne bzw. Verluste der Parteien fallen im internationalen Vergleich höchst bescheiden aus. Gleichwohl gibt es Gewinner wie auch Verlierer. Drei Parteien können im Vergleich zu ihrem Ergebnis von 2015 zulegen: Die Grünen, die GLP und die FDP.
Bei der FDP setzt sich der aufsteigende Trend, der sich bereits vor den nationalen Wahlen 2015 abzeichnete, weiter fort. Sie kommt neu auf 17.1 Prozent. Die Grünen können ihre Stimmenverluste von 2015 beinahe wieder wettmachen und erzielen aktuell einen Wähleranteil von 8.1 Prozent. Auch die GLP kann um +0.8 Prozentpunkte zulegen.
Die BDP hingegen gehört zu den aktuellen Verlierern. Sie verliert im Vergleich zu 2015 nochmals und liegt nun bei 3.4 Prozent. Die SVP bleibt zwar weiterhin die klar wählerstärkste Partei, muss indessen einen Verlust von -0.7 Prozentpunkte hinnehmen. Auch die SP verliert im aktuellen SRG SSR Wahlbarometer (-1.1 Prozentpunkte). Die CVP schliesslich hat den ersehnten Turnaround noch nicht geschafft und liegt nach Verlusten derzeit bei 10.9 Prozent.
Wahlbedauern und die Wechselgründe
Verluste und Gewinne resultieren zum einen aus Mobilisierungsdifferenzen, zum anderen aus Parteiwechseln.
In der vorliegenden Stichprobe gaben 87 Prozent an, sie würden auch heute noch dieselbe Partei wählen wie bei den letzten Nationalratswahlen. Die überwiegende Mehrheit der Wählerschaft ist ihrer damaligen Parteiwahl demnach treu geblieben.
Dementsprechend zufrieden ist das Elektorat auch mit seinem Entscheid von 2015. 37 Prozent gaben an, mit dem damaligen Entscheid nach wie vor «sehr zufrieden» zu sein und weitere 47 Prozent sind mit ihrem damaligen Votum immerhin «eher zufrieden». Elf Prozent bedauern ihren damaligen Entscheid aus heutiger Sicht jedoch ein bisschen und vier Prozent würden ihn wohl am liebsten ungeschehen machen («sehr unzufrieden mit damaligem Entscheid»).
Die meisten Parteiwechsel resultieren daraus, dass sich die Problemlage seit 2015 geändert hat (29%) oder die alte Partei die Wertehaltungen des Wählenden nicht mehr vertritt (29%).
Die SP verliert vor allem Wähler an die Grünen und an kleinere Linksparteien, und zwar vornehmlich deshalb, weil diese Wechselwähler der Ansicht sind, die Problemlage habe sich geändert.
GLP und FDP gewinnen Wähler, weil sie sich einer gewissen Wählerschicht stärker annähern. Noch stärker gilt dies für die CVP: Der neue bürgerlich-soziale Kurs zieht vergleichsweise viele Neuwähler an. Gleichzeitig verliert die CVP aber auch so manchen ehemaligen Stammwähler. Indes, weniger wegen des neuen Kurses, sondern weil sie die – aus Sicht der entsprechenden Wähler – entscheidenden, neuen Probleme nicht genügend anspricht.
Die Beliebtheit der Parteipräsidenten und Parteipräsidentinnen
Der dienstälteste Parteipräsident, Christian Levrat (SP), ist gleichzeitig auch der bekannteste der sieben abgefragten Parteichefs. Nur gerade zwei Prozent der Teilnahmewilligen wussten nicht, wer er ist und weitere zwei Prozent hatten keine Meinung zu ihm.
Albert Rösti, der Parteipräsident der SVP, ist 95 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten bekannt, wobei sich drei Prozent keine Meinung zu ihm bilden konnten. Die Bekanntheit der anderen Parteipräsidenten und –innen liegt unter jenen Werten, zum Teil gar erheblich. Jürg Grossen, der frisch gekürte Parteipräsident der GLP, ist beispielsweise einem Viertel der Teilnahmewilligen unbekannt. Bei Martin Landolt (BDP) und Regula Rytz (Grüne) liegen die entsprechenden Werte bei 13 bzw. 14 Prozent.
Die Beliebtheit der Parteipräsidentinnen und –präsidenten wird in erster Linie von ihrer Parteizugehörigkeit geprägt. Sie werden «von Freund und Feind» zumeist als archetypische Parteivertreter wahrgenommen und eher selten als eigenständige Persönlichkeiten. Deshalb korrelieren die Beliebtheitswerte der Parteipräsidenten/innen stark mit den Wähleranteilen der jeweiligen Parteien. Am stärksten polarisieren die Präsidenten/innen der Polparteien, Albert Rösti, Christian Levrat und Regula Rytz.
Die drängendsten Probleme
Das Themenfeld Migration (Migration/Asyl/Flüchtlinge) steht an erster Stelle der Sorgenrangliste der Wählenden. Mit der Schliessung der Balkan-Route und dem (zwischenzeitlichen) Rückgang der Flüchtlingszahlen hat dieses Themenfeld allerdings an Virulenz eingebüsst. Der entsprechende Anteilswert liegt in der vorliegenden Erhebung nur noch bei 21 Prozent. Durchaus bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die SVP ihren Wähleranteil trotz geringerer Medienpräsenz des Themas Flüchtlinge und Migration ziemlich stabil halten kann.
An zweiter Stelle rangiert die Gesundheitspolitik. Die kurz vor der Erhebung erfolgte Ankündigung steigender Krankenkassenprämien dürfte sich erheblich auf das Ergebnis ausgewirkt haben.
Auch die Einschätzung des Problemfelds «Sozialpolitik (AHV, etc.)» – auf Platz drei des Sorgenrankings – dürfte unter dem gegenwärtig starken Eindruck der eben gescheiterten Rentenreform stehen. Die Altersvorsorge 2020 war unter anderem auch damit beworben worden, dass eine Reform dringendst nötig sei. Viele Wählenden machen sich nun Sorgen, wie es nach dem wiederholten Scheitern einer Reform der Altersvorsorge weitergehen soll.
Umwelt, Energie und Klima sind ebenfalls Themen, die beschäftigen. Auch hier ist ein Anstieg im Vergleich zu 2015 zu beobachten. Wie so oft dürften hierbei exogene Ereignisse wie der Bergsturz von Bondo oder der Hurrikan Irma eine Rolle gespielt haben.
Bemerkenswert ist zudem, dass einer der Dauerbrenner unter den Sorgen – die Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes – die Wählenden derzeit nicht allzu stark umtreibt. Nur gerade acht Prozent der Teilnahmewilligen gab ein Arbeitsmarkt-bezogene Sorge als Hauptproblem an.
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