Die Stimme der Seele - in der Stiftskirche Olsberg
Von: Andreas Fischer
Wer ihr breites Berndeutsch hört, vermutet nicht, dass sie als Kind amerikanisch redete. Ihr unprätentiöses Wesen lässt nicht darauf schliessen, dass sie in den 70-er Jahren ein Schlagerstar war. Und die jüdischen Wurzeln hinter ihrer christlichen und buddhistischen Wegsuche sind nicht offensichtlich: Das Leben von Susan Schell ist vielschichtig.
Susan Schell „noch eine Sehnsucht“ (Foto: Jutta Wurm)
Zur Welt kommt Susan als Kind einer Schweizerin und eines jüdischen Arztes in New York. Der Vater stammt aus einer österreichischen Emigrantenfamilie. Das Schicksal naher Verwandter in der Shoah lastet auf seiner Seele.
In Susans früher Kindheit ist er wegen Kriegsdienstes in Korea abwesend. Mutter und Tochter leben in kargen Verhältnissen in der Nähe von Harlem. Nach seiner Rückkehr ist der Vater ein Fremder. Es kommt zur Scheidung, die Mutter zieht mit der achtjährigen Susan und deren Brüderchen Peter in ihre Heimatstadt Bern.
Mit vierzehn entdeckt Susan ihre Stimme. Bei einer Vortragsübung singt sie ein Lied aus „My fair lady“. Die Jungs grinsen, der perplexe Lehrer ruft den Rektor und bittet um Wiederholung. Vier Jahre später, 1968, setzt sich bei einem Fest ein Gleichaltriger ans Klavier und intoniert ein Lied von den Bee Gees. Susan stimmt ein. Der Mann heisst Marcel Dietrich.
Bald darauf trifft man sich zusammen mit einem weiteren Kollegen, Peter Reber, in der Wohnung von Susan. „Wir sangen“, erinnert sich Susan, „einfach drauflos, und dann wussten wir: Das ist etwas.“ Als „Peter, Sue & Marc“ wird das Trio zu einer der erfolgreichsten Bands der Schweiz. Die Öffentlichkeit des Showbusiness ist für Susan Schell oft mit Ängsten verbunden, doch „bei Auftritten gab es auch diese Glücksmomente, in denen ich den Hut hoch in die Luft warf und wusste: Das bin ich!“
Dann, 1986, nach Abschluss der Karriere, die umgekehrte Erfahrung: „Als das alles weg war, war niemand mehr da“. Der hintergründige Satz ist keine Klage über den Verlust an öffentlicher Aufmerksamkeit. Vielmehr meint Susan mit „niemand“ sich selbst.
Es gibt sie, die Sängerin Sue, nicht mehr. Der Identitätsverlust ist total. Doch eben dieser Fall ins scheinbar Bodenlose, sagt Susan im Rückblick, ist eine „Erfahrung des Seins“ auf tiefster Ebene. Die „Seite dahinter“ sei „sinnlich erfahrbar“ geworden, ihr sei „jene Welt aufgegangen, in der Gegensätze eins sind und alles zusammen gehört“.
Die spirituellen Einsichten führen zu einem künstlerischen Revival. Neue, eigene Lieder entstehen, deren Texte und Melodien nicht von Profis produziert, sondern aus der Seele geboren werden. Die daraus resultierende CD „Manchmal“ ist, aus der Sicht des Business, ein „Achtungserfolg“.
Die Offenheit für die „andere Ebene“ verschliesst sich wieder. Was Susan in den zwanzig folgenden Jahren tut, ist auf einen Nenner zu bringen: Jene Erfahrung zu erinnern, für Alltag und Bewusstsein zugänglich zu machen. Sie verbringt Monate in einem buddhistischen Kloster in Sri Lanka, lebt sechs Jahre in einer spirituellen WG in Berlin.
Seit 1998 wohnt sie in Teufen. Sie singt in Peace Camps und Gottesdiensten, begleitet AIDS-Kranke, tritt als Clown in Altersheimen und Kinderspitälern auf. Sie meditiert, betet, praktiziert Yoga, studiert christliche und buddhistische Schriften.
„Freude, Liebe, Mitgefühl, Klarheit, Lebendigkeit“ sind für sie Stichworte erfüllten menschlichen Lebens. Manchmal wünscht sie sich die Strenge eines Klosters, um diese Qualitäten ganz zur Entfaltung zu bringen. „Da ist“, sinniert sie, „noch eine Sehnsucht“.
„Nimm mich mir – gib mich dir“ – ein „anderer Gottesdienst“ mit Susan „Sue“ Schell
Am Sonntag, 27. August um 19 Uhr findet in der Stiftskirche Olsberg ein „DAG – Der andere Gottesdienst“ statt. Thema sind Niklaus von Flüe und dessen Frau Dorothea. Musikalisch wird die Feier von Susan Schell gestaltet, der ehemaligen Sängerin des Trios Peter, Sue & Marc.
2017 ist nicht nur Reformations-, sondern auch Bruder Klausen-Gedenkjahr. Der grosse Mystiker lebte von 1417-1487, kam also vor genau 600 Jahren zur Welt. Sein Gebet („Mein Herr und mein Gott… Nimm mich mir / und gib mich ganz zu eigen dir“) dient dem DAG als Leitfaden. Die Feier findet, thematisch passend, in der stimmungsvollen Stiftskirche Olsberg statt.
Nicht nur Niklaus, auch seine Frau Dorothea von Flüe wird zur Sprache kommen. Niklaus und Dorothea repräsentieren die beiden Richtungen eines spirituellen Wegs: Er führt einerseits hinaus aus der Welt, in die Freiheit von materiellen und emotionalen Bindungen, hin zur Einheit mit Gott. Das ist der Weg von Bruder Klaus.
Doch es gibt auch den umgekehrten. Er führt nicht hinaus aus der Welt, sondern hinein in den Alltag. Wer, wie Dorothea, auf sich allein gestellt Kinder zu erziehen und einen Haushalt zu bewältigen hat, findet kaum Zeit zum Gebet. Es sei denn, der Alltag werde selber zum Gebet. Und Gott finde sich nicht nur in der Abgeschiedenheit, sondern mitten im Erdenleben.
Musikalisch wird die Feier von Susan Schell gestaltet – gemeinsam mit Jutta Wurm. Dass die ehemalige Sängerin von Peter, Sue & Marc das Thema des DAG auf authentische und inspirierende Weise zu interpretieren vermag, wird aus dem Porträt („Die Stimme der Seele“) ersichtlich. Zum DAG lädt, im Namen des ganzen Vorbereitungsteams, herzlich ein: Andreas Fischer.
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