Feng Shui im Schulhaus Münchwilen
Von: Hans Berger
„Müssen sich die Chinesen nun wirklich auch noch in unser Bildungs- und Erziehungssystem einmischen? Reicht es denn nicht, wenn sie dies in der Politik, Finanz- und Wirtschaftswelt tun?“ Könnten sich angesichts der Schlagzeile die einen oder anderen LeserInnen fragen. Dazu nur soviel: die Chinesen tun dies via Seide seit mindestens 2‘000 Jahren und vielen weiteren grossartigen, die europäische Gesellschaft prägenden Erfindungen. Nicht zu vergessen ist diesbezüglich auch der Philosoph Konfuzius (551 bis 479 v. Chr.). Mit 3‘500 Jahren ist die Lehre von Feng Shui noch älter wie jene Konfuzius`und hat in unserer Hemisphäre schon lange vor dem Bekanntwerden des Namens Einzug gehalten, wie ein Rundgang mit dem diplomierten Feng Shui-Berater INFIS Fabrice Müller durchs Schulhaus Münchwilen - auf dem es entgegen eventuellen esoterischen Erwartungen nichts dergleichen zu entdecken gab - zeigte.
Schwarzweissbild
Feng Shui ist weder spektakulär, noch auf den ersten Blick erkennbar, jedoch sofort fühlbar. Wohl die meisten Erwachsenen sehen, wenn sie sich an ihre Schulzimmer erinnern, eine weisse Wand und davor eine schwarze, allenfalls eine grüne Wandtafel.
Dieses Schwarzweissbild hat sich so sehr eingeprägt, dass es daran nichts zu meckern gäbe, wenn nicht - zum Beispiel im Schulhaus Münchwilen – andere Erfahrungen gemacht werden könnten. Die Wandtafeln sind zwar auch dort mehrheitlich schwarz geblieben, die Wände dahinter jedoch in einem zarten, irgendwie erquickenden Farbton.
Kaum bewusst wahrgenommen werden auch die überall anzutreffenden, farbig ausgemalten Halbkreise, gleichwohl sind sie ein Blickfang und haben die Wirkung einer Insel, weil deren Platzierung den Ecken ihre „Eckigkeit“ nimmt und die Kanten nicht mehr so kantig erscheinen lässt.
Späte Einsicht
Hatten früher, oft aber auch heute noch, die Schulhäuser den Charakter eines kühlen, seelenlosen Verwaltungsgebäudes, haben zwischenzeitlich die Architekten längst erkannt, dass beide Bauten von Menschen genutzt werden, bei denen seit jeher die Behaglichkeit eine wichtige Rolle spielt. Ist diese gegeben, steigert sich deren Effizienz, wie zahlreiche Studien belegen. Was hierzulande erst seit wenigen Jahren praktiziert wird, respektive eine Renaissance erlebt, ist bei den Chinesen seit 3‘500 Jahren gang und gebe.
Mutiger Entscheid
Dieses Wissen wollte sich auch die Baukommission vom Schulhaus Münchwilen zu Nutze machen und beauftragte Fabrice Müller, sich der Boden- und Wandgestaltung anzunehmen. Auch wenn Feng Shui hierzulande im Trend ist, ist es doch eher eine Ausnahme, die chinesische Lehre in öffentlichen Gebäude einfliessen zu lassen.
Die Baukommission fällte also mit der Einbezugnahme eines Feng Shui-Beraters gewiss einen mutigen und wer weiss, vielleicht auch einen wegweisenden Entscheid. Denn das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn Fabrice Müller nur einen kleinen Aspekt der Feng Shui-Lehre umsetzen konnte, da er erst in der Endphase des Baues zum Zuge kam.
Der Grundgedanke des Feng Shui
Das dem Feng Shui (Wind und Wasser) zugrunde liegende Prinzip ist die unbewusste Wechselwirkung zwischen dem Menschen und seiner Umgebung. Das Unterbewusstsein nimmt die Gesamtheit des Umfeldes wahr und verarbeitet diese Informationen.
Nur ein sehr kleiner Teil davon kommt jedoch im Bewusstsein an, der Rest wirkt rein über das Unterbewusstsein. Die Umgebung beeinflusst also, ohne dass der Mensch davon etwas mitbekommt. Gleichzeitig wird der Mensch zu einem sehr grossen Teil von seinem Unterbewusstsein gesteuert. Es entscheidet über dessen Verhalten, Ausstrahlung, Handlungen und somit über den Verlauf seines Lebens.
Feng Shui ist letztlich nichts anderes als ein Methodenpaket, das ermöglicht, die nicht bewusst wahrnehmbaren Einflüsse der Umgebung berechenbar und damit gezielt beeinflussbar zu machen. Diese Methoden sollen demnach ermöglichen, eine Umgebung zu generieren, die massgeblich dazu beitragen könne, im Leben Erfolg zu haben. Je nach Präferenz finanziellen, beruflichen, familiären oder gesundheitlichen Erfolg, erklärte Fabrice Müller in einer kurzen Einfürung vor dem Rundgang.
Die Feng Shui-Praxis hat ihre Wurzeln in der chinesischen Sicht des Universums, wonach alle Dinge dieser Welt fünf Grundelementen zugeordnet werden können (Feuer, Metall, Erde, Holz und Wasser) und mit positiver oder negativer Energie aufgeladen sind. Diese Energie nennt man Chi. Die Fünf Elemente bilden eine der tragenden Säulen der Feng Shui-Praxis. Dabei kann jedes Element entweder Yin- oder Yang-Attribute in sich tragen.
Wörtlich übersetzt bedeutet Feng Shui Wind und Wasser und bezieht sich damit auf die Erde, auf ihre Berge, Täler und Wasserläufe, deren Form und Grösse, Ausrichtung und Höhe von der Wechselwirkung mächtiger Naturkräfte bestimmt wird. Feng Shui ist ein Verfahren zur Lebensgestaltung. Am besten lässt es sich beschreiben als die „Wissenschaft“ der Auswahl und Gestaltung des Umfelds, die nach einem völligen harmonischen Gleichgewicht der fünf Elemente sowie der Yin- und Yang-Energien strebt.
Die Aufgabe des Feng Shui ist es, in jedem Umfeld die Harmonie zwischen dem Menschen und seiner Umgebung herzustellen. Leben in Harmonie bedeutet auch aus westlicher Sicht Gesundheit, Wohlbefinden, beruflichen Erfolg, persönliches Glück und spirituelles Wachstum. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es aus Feng Shui-Sicht notwendig, die für den Menschen positiven Kräfte zu stärken, die negativen Kräfte zu meiden, und die Harmonie der fünf Elemente herzustellen.
Architektur
Übrigens: auch Europa besitzt Zeugnisse eines grossen Wissens, wenn man sich die Kathedralen z.B. von Chartres oder Santiago de Compostela betrachtet. Diese Kunst ging mit der Aufklärung (ca.1780) und dem Beginn der Industrialisierung des Westens verloren. In China hingegen fliessen auch noch heute die Impulse und Erkenntnisse, die mit der Feng Shui-Analyse gewonnen werden, von Anfang an in den Entwurfs- und Bauprozess ein. Bereiche, Richtungen, aber auch zeitliche Aspekte werden mitberücksichtigt.
Anders als in der westlichen Baupraxis, welche nur die dreidimensionalen Aspekte im Planen beachtet, wird beim Feng Shui auch die vierte Dimension, also die Zeit, in den Planungsprozess integriert. "Feng Shui bedeutet, zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige zu tun" (H. Choy). Wie bereits erwähnt, ein Feng Shui-Gebäude, das sensibel auf die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten reagiert, unterscheidet sich rein äusserlich oder ästhetisch auf den ersten Blick nicht von einem „normal“ geplanten Haus. Die besonderen Energiequalitäten des Feng Shui-Gebäudes, so der Feng Shui-Berater Fabrice Müller, werden für die Bewohner erst nach dem Bezug spürbar sein.
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