Lehrertheater Möhlin hautnah bei Dickie Dick Dickens
Von: Hans Berger
Wären die Zeiten punkto Freizeitbeschäftigung und Unterhaltung noch so wie damals, als das SRF noch Radio Beromünster hiess und die Hörerschaft sich einmal pro Woche so um die Lautsprecher scharten wie die Motten ums Licht, nur um die neuste Geschichte vom gefährlichsten Mann der Vereinigten Staaten zu erfahren, ja dann wäre die aktuelle Produktion vom Lehrertheater Möhlin über den Gentlemen-Gauner Dickie Dick Dickens genauso ein Strassenfeger wie damals das Hörspiel.
Lehrer Theater Möhlin biographiert Dickie Dick Dickens hautnah
Wie ein Buch den Lesern, so suggeriert auch ein Hörspiel bei den Zuhörern innere Bilder, welche nicht einfach mit der Delete-Taste zu löschen sind. Werden Leser- oder Zuhörerschaft dann via Film oder Theater mit anderen Bildern konfrontiert, vermögen diese in den wenigsten Fällen den eigenen Vorstellungen Paroli zu bieten.
Eine der seltenen Ausnahmen ist jedoch gewiss die vom österreichischen Regisseur Stefan Libardi geistreich, humorvoll inszenierte und vom Ensemble des Lehrertheaters Möhlin hervorragend, „wie aus dem Leben gegriffen“, herrlich komödiantisch gespielte Geschichte rund um den äusserst charmanten Gauner Dickie Dick Dickens (Benjamin Zingg) und dessen skrupellosen Konkurrenten Jim Cooper (Hans Nassi).
Wider der inneren Stimme
Die Ankündigung der vier Chronistinnen, Dickie Dick Dickens sei der gefährlichste Mann, den die Unterwelt Chicagos je ausgespuckt habe und der grosse, einmalige Missetäter der 1920er-Jahre, gefürchtet, verachtet, gehasst. Dickie Dick Dickens sei ein Ausgestossener, der zum Glanz der herrlichen Millionenstadt beigetragen, dort 68 Prozent seines Lebens und die restlichen 32 Prozent im „Sing Sing“ - der modernsten, komfortabelsten Strafanstalt der Staaten - verbracht habe, müsste die Zuschauer eigentlich zum Schaudern bringen.
Diese Vorinformation wäre in Anbetracht der täglichen Konfrontation mit dem Kriminaltourismus demnach auch Grund genug, das Theater sofort zu verlassen, denn Gauner bleibt nun mal Gauner, Verbrecher bleibt Verbrecher und Mörder bleibt Mörder, charmant hin oder her.
Dass dieser inneren Stimme niemand Folge leistet, ist einerseits zumindest eigenartig, andererseits aber auch ein Beweis dafür, dass es das Ensemble trefflich versteht, sein Publikum wie per Knopfdruck von Anbeginn aus der realen in die fiktive, imaginäre, irreale Welt des Theaters zu entführen.
Viel Dusseligkeit
Die längst zum Kult-Krimi avancierte, skurrile, satirische Geschichte der beiden Autoren Rolf Becker (1923-2014) und Ehefrau Alexandra Becker (1925-1990) ist ohne jegliche Retouche auch heute noch so unterhaltsam und spannend wie vor rund sechzig Jahren.
Wie damals ist Kommissar Hilbilly (Oliver Metzger) zu dusselig und zu korrupt, um den beiden Bigbossen habhaft zu werden. Ja, selbst so kleine Fische wie den Bankräuber (Jakob Heinz), den Taschendieb (Florian Bieri), Buchhalter Harry (Daniel Zingg) oder die raffinierte Erpresserin Mummy Toba-Dutch (Doria Frei) vermag der überhebliche, chaotisch veranlagte Kriminalist trotz Unterstützung der ihm weit überlegenen Assistentin Miss Harple (Christine Walser) hinter Gitter zu bringen.
Viel Sexappeal
Natürlich mangelt’s auch in der Möhliner Inszenierung nicht an einer grossen Portion Sexappeal, auf den eine echte Gaunergeschichte der wilden 1920er-Jahre einfach nicht verzichten kann. Wäre dieser bei Effie Marconi (Astrid Bieri), Grit Matthews (Nadine Candor) oder Gwendoline Rich (Stephanie Engimann) nicht in genügendem Masse vorhanden, sie wären wohl kaum die Gangsterbräute von Dickie Dick Dickens und dessen Gegenspieler Jim Cooper oder letztere Nachtclubsängerin geworden.
Hautnah dabei
Die Stückbeschreibung, sowohl im Programmheft wie auch auf der Internetseite vom Lehrertheater Möhlin verrät nur einen geringen Teil von dem, was im Bata-Club-Haus geboten wird. Es ist wirklich eine Vielzahl von Abenteuern, die Dickie Dick Dickens mit seinen Kumpanen und Erzfeinden erlebt. Der Spannungsbogen baut sich langsam, aber stetig auf, bis er zum Schluss in einem wahrhaften Feuerwerk an Rätseln, Verwechslungen, Täuschungen und Intrigen endet.
Mehr sei an dieser Stelle aber nicht verraten, sondern sollte nach vorgängiger Reservation vorort – hautnah auf Tuchfühlung mit dem cleveren Dickie Dick Dickens – selber in Erfahrung gebracht werden.
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