Gewerbeverein Möhlin im Dialog mit der Schule
Von: Hans Berger
Gestern Donnerstag lud der Gewerbeverein Möhlin und Umgebung (GMU) die SchülerInnen der Oberstufe zum zweiten Mal zur Tischmesse „Schule trifft Wirtschaft“ in die Mehrzweckhalle Fuchsrain ein. Ziel der „Berufsbörse“ ist, die Schulabgänger in der Region zu halten und rechtzeitig zielorientiert an die entsprechenden Berufsfelder heranzuführen, wie GMU-Vizepräsident Fabian Mombelli bei der Begrüssung der über hundert künftigen Berufsleute erklärte. Ein weiterer Grund dürfte jedoch auch die Gewissheit sein, dass es Fachkräfte nicht zum Nulltarif gibt.
Gewerbeverein Möhlin im Dialog mit der Schule
Die Jugendlichen sind - insbesondere dann, wenn es um ihren Einstieg ins Berufsleben geht - die wohl am besten betreute Bevölkerungsgruppe der Schweiz. Neben den Schulen kümmert sich ein Heer von Fachleuten darum, dass Junge den Schritt in den Arbeitsmarkt schaffen. So auch die 27 KMU vom Gewerbeverein Möhlin und Umgebung, die gestern in der MZH Fuchsrain rund vierzig Berufe vorstellten. Die Präsidentin des GMU, Anita Kym, zeigte sich dann auch zufrieden über das Engagement der Mitglieder und deren grosses Angebot an unterschiedlichsten Berufen.
Als zwingende Voraussetzung für einen erfolgreichen Lehrabschluss nannte der Berufsausbildner der Manor, Julian Ajenjo Conseuegro, ergebnisorientierte Lernbereitschaft, Teamfähigkeit, Fachkompetenz, Akzeptanz von Kritik, das Eingestehen von Fehlern, Anstand, Pünktlichkeit, sauberes Auftreten und Beharrlichkeit.
Qual der Wahl
Die Berufswelt ist „undurchsichtiger“ geworden und die Berufswahl komplizierter. Eine Schwierigkeit der modernen Berufswelt liegt darin, dass sich Berufe aufgrund der technischen Entwicklung schubweise immer wieder ändern. In Fabriken, Bürogebäuden und Dienstleistungszentren werden heute rund 250 Basis-Berufe plus Tausende andere berufliche Funktionen ausgeführt, welche junge Menschen vor der Berufswahl verständlicherweise jedoch kaum kennen. Hinzu kommt heute: Den Beruf fürs Leben gibt es nicht mehr. Das berufliche Leben verläuft heute meist in mehreren Phasen mit Brüchen und Unterbrüchen.
Hitparade
Die Ausbildung zur Kauffrau ist bei weitem die beliebteste Ausbildung von jungen Frauen. Lehren im Bereich Detailhandel, Betreuung, Gesundheit und Coiffeuse liegen ebenfalls weit vorne. 75% der jungen Frauen schränken sich in ihrer Berufswahl auf lediglich zwölf Berufe ein. Die restlichen 25% verteilen sich auf 126 Berufe.
Auch bei den jungen Männern zeigt sich die grosse Beliebtheit der kaufmännischen Berufsausbildung. Lehren im Bereich Informatik, Elektroinstallateur, Detailhandelsfachmann und Polymechaniker werden ebenfalls gerne gemacht. Bei jungen Männern ist das Berufsspektrum grösser als bei den Frauen: 75% der jungen Männer ergreifen einen Beruf aus den ersten dreissig der Berufswahlhitliste. Die restlichen 25% verteilen sich auf 167 Berufe.
An der gestrigen „Berufsbörse“ in Möhlin widerspiegelten die Interessen der TeilnehmerInnen die statistische Hitparade vollumfänglich.
Geben und nehmen
Zu den Rennern am Infoabend gehörte, wie nicht anders zu erwarten war, Kauffrau/mann, Gesundheit, Betreuung, Auto und Elektro. Das Interesse der Jugendlichen war mässig bis gross, was teilweise aber auch von der Kommunikations- und Begeisterungsfähigkeit der Dozentinnen und Dozenten abhing. Diese scheinen bei den Handwerkern besonders ausgeprägt zu sein, da an ihren Tischen kaum gelangweilte Gesichter anzutreffen waren.
Wie überall ist auch bei einer solchen Infoveranstaltung die Ausgewogenheit zwischen Geben und Nehmen ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg, so kritisierten einige der BerufsbildnerInnen zu Recht eine mangelnde Vorbereitung seitens der Schülerinnen und Schüler, denn wo keine Fragen und Bemerkungen sind, findet meist auch kein interessanter Dialog statt.
Kein „Auslaufmodell“
Das Angebot der Unternehmen lag per 31. August 2017 hochgerechnet bei 97‘000 Lehrstellen (2016: 94‘500). Davon wurden 90‘000 Lehrstellen vergeben (2016: 84‘500) und 7‘000 Lehrstellen sind offen geblieben (2016: 10’000).
Insgesamt standen im Jahr 2017 hochgerechnet 162’000 Jugendliche vor der Ausbildungswahl (2016: 144’500). 82‘500 dieser Jugendlichen haben eine berufliche Grundbildung begonnen (2016: 73‘000).
Es sind gerade Mal etwas über zehn Jahre her, als das Lehrstellenangebot äusserst prekär war. Auf dem Zenit der Lehrstellenkrise hatte der damalige Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss 2004 die Partner der Berufs- und Arbeitswelt zur ersten nationalen Lehrstellenkonferenz zusammengerufen, um Strategien für ein ausgewogeneres Verhältnis von Angebot und Nachfrage in der Berufsausbildung zu beschliessen.
Aus der Notfallübung wurde eine Tradition mit positivem Leistungsausweis, wie die heutige Situation zeigt. Zum einen half die aufgehellte Konjunktur dem Lehrstellenmarkt, zum andern haben unterdessen alle von Bund, Kantonen, Gewerbe und Industrie beschlossenen Massnahmen erfreulich gut gegriffen.
Entgegen dem Eindruck um die Jahrtausendwende kann heute daher festgestellt werden: Das schweizerische Berufsbildungssystem ist kein „Auslaufmodell“, da zwei von drei Jugendlichen auf diesen Weg setzen und diese verbunden mit etwas Flexibilität auch eine Lehrstelle finden.
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