SBB verliert Monopol im Fernverkehr
Von: mm/f24.ch
Nach detaillierter Prüfung der Gesuche von SBB und BLS sieht das Bundesamt für Verkehr (BAV) vor, die Fernverkehrskonzession ab Ende 2019 für die Dauer von zehn Jahren grösstenteils wieder der SBB zu erteilen. Sie soll das gesamte Intercity-Netz und den überwiegenden Teil des Basis-Netzes abdecken. Die Konzession für die Linien Bern – Biel und Bern – Burgdorf – Olten soll an die BLS gehen. Dieses Mehrbahnenmodell in moderater Ausprägung bringe den grössten Nutzen für die Kunden und das Gemeinwesen: Das Angebot im Fernverkehr werde sich verbessern und die Steuerzahlenden würden entlastet. Das BAV startet nun die Anhörung dazu.
Im letzten Herbst reichte die SBB beim BAV ein Gesuch für den Weiterbetrieb des gesamten Fernverkehrsnetzes ein. Die BLS beantragte die Fernverkehrskonzession für fünf Linien. Nach intensiver Prüfung der Gesuche sieht das BAV vor, die Fernverkehrskonzession für den überwiegenden Teil der Fernverkehrslinien erneut der SBB zu erteilen. Damit werde den guten Erfahrungen und der hohen Qualität der bisherigen Leistungserbringung Rechnung getragen.
Die SBB will inskünftig die SOB (Schweizerische Südostbahn ) mit dem Betrieb von zwei ihrer Linien beauftragen (Gotthard-Bergstrecke sowie Chur–Zürich–Bern). Für die beiden Linien Bern–Biel und Bern–Burgdorf–Olten wird die Konzession der BLS erteilt. Es bleibt den Bahnen unbenommen, innerhalb dieses Konzessionsrahmens den Betrieb einzelner Linien mit einem Betriebsvertrag kooperativ zu regeln.
Das BAV startete gestern die Anhörung der betroffenen Kantone, Verkehrsverbünde, Transportunternehmen und Infrastrukturbetreiberinnen zum geplanten Konzessionsentscheid. Sie dauert bis am 23. Mai 2018.
Mit dem für Mitte Juni geplanten Konzessionsentscheid trägt das BAV der Tatsache Rechnung, dass das neue Modell im Interesse der Kundinnen und Kunden zuverlässig umsetzbar sein muss und keine Fragen zur Realisierbarkeit – etwa bezüglich verfügbarem Rollmaterial oder Umsetzbarkeit auf der vorhandenen Infrastruktur – offen bleiben dürfen. Diesbezüglich sei das Gesuch der BLS für die Strecken ab Basel in Richtung Interlaken bzw. Brig mit Unsicherheiten behaftet gewesen. Die von der BLS geltend gemachten Vorteile ihres Angebotes mit neuen durchgehenden Verbindungen im Raum Bern kommen erst nach 2030 zum Tragen.
Dank des Ideenwettbewerbs, welchen die Erneuerung der Konzession ausgelöst hat, sollen die Passagiere künftig von einem besseren Angebot im Eisenbahn-Fernverkehr profitieren. So seien neue Direktverbindungen zwischen Chur und Bern vorgesehen.
Auf der Gotthard-Bergstrecke wird entgegen der ursprünglichen Planung der SBB das Fernverkehrsangebot erhalten und ohne finanzielle Unterstützung von Bund und Kantonen verkehren. Zwischen Chur und St. Gallen (bisher zweistündlich durch Bund und Kantone bestellt) und zwischen Bern – Neuenburg – La-Chaux-de-Fonds verkehren Fernverkehrszüge anstelle von Regionalzügen. Die Züge im Fernverkehr werden künftig in aller Regel durch Zugpersonal begleitet. Dazu kommen weitere Verbesserungen wie Taktverdichtungen und der Ausbau des Verpflegungsangebots.
Das Mehrbahnenmodell, das auf dem Bundesratsentscheid zur Gestaltung der Bahnlandschaft mit dem Modell "SBB plus x" von 2003 basiert, soll auch im Fernverkehr die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer öV weiter verbessern. Mit dem Betriebsvertrag zwischen der SBB und der SOB sowie der Konzessionserteilung an die BLS soll diesem Ansatz Rechnung getragen.
Damit in absehbarer Zeit eine Weiterentwicklung möglich sei, sollen die neuen Konzessionen für je zehn Jahre erteilt werden. Das BAV wird zudem die rechtlichen Vorgaben für die Vergabe von Fernverkehrskonzessionen überprüfen und Vorschläge dazu unterbreiten, wie das Verfahren angepasst und die nächste Vergabe mit einem längeren Vorlauf ausgelöst werden kann.
Neben den besseren Angeboten, die dank dem Mehrbahnenmodell möglich wurden, resultieren auch finanzielle Verbesserungen: Die Steuerzahlenden werden durch die Bereinigung des Fernverkehrsnetzes um einen zweistelligen Millionenbetrag entlastet, beispielsweise dadurch, dass die für die SBB vorgesehene Strecke Bern – La-Chaux-de-Fonds vom subventionierten Regional- in den eigenwirtschaftlichen Fernverkehr übergeht.
Die vom BAV erarbeitete Wegleitung zu den Grundsätzen und Kriterien des Fernverkehrs definiert in verschiedenen Bereichen zudem Mindest-Qualitätskriterien wie Multi-Funktionszonen für den Transport von Fahrrädern.
Für den Fernverkehr geht das BAV neu von einer den Bahnen zugestandenen Umsatzrendite von maximal acht Prozent aus. Darüber hinaus gehende Gewinne werden über den Deckungsbeitrag des Trassenpreises für die Finanzierung der Bahninfrastruktur abgeschöpft.
Dieses Modell soll den Bahnen weiterhin angemessene und nachhaltige Gewinne im Fernverkehr ermöglichen. Sie erhalten einen Anreiz, Billette zu attraktiven Bedingungen anzubieten, sodass der Gewinnanteil oberhalb einer bestimmten Umsatzrendite an die Passagiere zurückfliesst. Das BAV ist offen, solche Massnahmen bereits in der Konzessionsperiode Dezember 2019 bis Dezember 2029 bei der Festlegung des Deckungsbeitrages zu berücksichtigen.
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