Bundesrat prüft Pilotversuche mit Mobility Pricing
Von: mm/f24.ch
„Die meisten Kantone erachten Mobility Pricing als sinnvolles Instrument, um Kapazitäten auf Strasse und Schiene besser zu nutzen und Verkehrsspitzen zu brechen. Das hat die Anhörung zum bundesrätlichen Konzeptbericht ergeben“, erklärte gestern Bundesrätin Doris Leuthard an einer Medienkonferenz in Bern Der Bundesrat hat das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) daher beauftragt, nun zusammen mit interessierten Kantonen und Gemeinden die Möglichkeit von Pilotprojekten zu prüfen und die dazu nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären.
Bundesrätin Doris Leuthard
Was ist Mobility Pricing?
Mobility Pricing ist ein ganzheitliches Konzept, das auf folgenden Grundprinzipien basiert:
- „Pay as you use": Dies heisst, leistungsbezogene Preise für Produkte und Dienstleistungen anstelle von indirekten Steuern, Abgaben und Einheitstarifen. Wer Mobilität konsumiert, soll einen Anreiz haben, sich kostenbewusst zu verhalten.
- Kompensation: Es soll nicht mehr, sondern anders für Mobilität bezahlt werden. Mobility Pricing ersetzt somit (schrittweise) bestehende Abgaben.
- Sozialpolitische Ausgestaltung: Die Tarife müssen so ausgestaltet sein, dass Mobilität weiterhin für alle erschwinglich bleibt.
- Intermodalität: Mobility Pricing ist verkehrsträgerübergreifend - umfasst also Strasse und Schiene. Die Brechung der Verkehrsspitzen und die bessere, gleichmässigere Auslastung der Verkehrsinfrastrukturen sollen zwischen den Verkehrsträgern aufeinander abgestimmt sein.
- Modularer Aufbau: Mobility Pricing ist modular konzipiert. So ist ein schrittweiser Aufbau von Massnahmen möglich sowie eine Erweiterung oder ein Nebeneinander von Alt und Neu.
- Datenschutz: Der Datenschutz sollt ein zentrales Thema, sowohl in der Planung als auch bei der Umsetzung und im Betrieb. Der Umgang mit Daten muss gesetzlich klar festgelegt sein.
- Transparenz: Mobility Pricing soll für den Nutzer transparent und übersichtlich.
Das primäre Ziel von Mobility Pricing soll bei der Verkehrslenkung liegen – dem Abflachen der Spitzen. Wie genau das effektive Kosten-Nutzen-Verhältnis dereinst ausfallen wird, ist wiederum von einer Vielzahl von Faktoren, insbesondere aber von der tatsächlichen Ausgestaltung des Mobility Pricing abhängig. Bevor dereinst Mobility Pricing eingeführt werden sollte, sind für die Umsetzung des vorgesehenen Systems eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen sowie eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen.
Die Mobilität in der Schweiz wächst. Modellrechnungen zufolge wird die Verkehrsleistung auf Strasse und Schiene bis 2030 um rund einen Viertel zunehmen. Da Ausbauten teuer sind, ist es ergänzend dazu sinnvoll zu prüfen, wie die bestehende Infrastruktur besser genutzt werden kann.
Eine grosse Herausforderung stellt dabei sowohl im privaten wie im öffentlichen Verkehr die stark schwankende Auslastung dar: Während es in den Zügen und auf den Strassen am Morgen und am Abend eng wird, gibt es zu den anderen Tageszeiten meist noch freie Kapazitäten. Mobility Pricing bezweckt, die Auslastung zu glätten.
Der Bundesrat hat verschiedene Modellvarianten geprüft und vor einem Jahr den Entwurf eines Konzeptberichts in die Anhörung gegeben. Jetzt liegt die Auswertung vor. Sie zeigt, dass die meisten Kantone, Parteien und Verbände Mobility Pricing grundsätzlich positiv gegenüberstehen.
Gestützt darauf hat der Bundesrat nun den definitiven Konzeptbericht gutgeheissen. Ziel ist, die Mobilitätsnachfrage langfristig durch benützungsbezogene Abgaben besser auf den Tag zu verteilen und die Verkehrsinfrastruktur auf Strasse und Schiene so gleichmässiger auszulasten.
Mobility Pricing ist für den Bund in erster Linie ein Instrument zur Lösung von Kapazitätsproblemen und nicht zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Für Mobilität soll nicht mehr, sondern anders bezahlt werden. Mobilität soll zudem weiterhin für alle erschwinglich bleiben. Mobility Pricing steht für eine effizientere Bewirtschaftung der Verkehrsinfrastrukturen, eine leistungsbezogene Bepreisung und eine verbesserte Umsetzung des Verursacherprinzips auf Strasse und Schiene.
Das UVEK wird als nächstes mit interessierten Kantonen und Gemeinden die Möglichkeit von Pilotprojekten prüfen. Mehrere Kantone und Gemeinden haben im Rahmen der Anhörung ein entsprechendes Interesse angemeldet (siehe Info). Mit zeitlich befristeten, verkehrsträgerübergreifenden Pilotversuchen können Erfahrungen gesammelt und offene Fragen, etwa zu den Auswirkungen von Mobility Pricing auf Gesellschaft und Wirtschaft, geklärt werden.
Das UVEK wird parallel dazu die rechtlichen Rahmenbedingungen klären. Um Pilotversuche durchzuführen, braucht es zumindest ein befristetes Bundesgesetz.
Der Konzeptbericht soll als Grundlage für eine breite Diskussion dienen. Mobility Pricing-Instrumente werden nicht von heute auf morgen eingeführt. Es handelt sich um ein langfristig ausgerichtetes Konzept, das einer engen Abstimmung mit allen Akteuren bedarf. Um Verkehrsspitzen zu glätten, lohnt es sich ausserdem, weitere Massnahmen wie flexible Arbeitszeitmodelle, angepasste Unterrichtszeiten, Home Office oder Fahrgemeinschaften zu fördern.
INFO: Reges Interesse an Pilotversuchen
Die Durchführung von zeitlich und örtlich begrenzten Pilotversuchen zur Evaluation von Mobility Pricing stiess in der Anhörung auf überwiegend positives Echo. Pilotversuche seien wichtig, um zu erfahren, wie sich Mobility Pricing auf den Verkehr, die Wirtschaft, die Umwelt und die Raumentwicklung effektiv auswirke.
Die Kantone Genf, Tessin und Zug sowie die Stadt Rapperswil-Jona und der Grossraum Bern haben im Rahmen der Anhörung kund getan, sie könnten sich vorstellen, auf ihrem Gebiet Pilotversuche durchzuführen. Der Bund wird neben der Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen darum mit interessierten Regionen nun auch Gespräche führen (Kantone, Agglomerationen, Städte).
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