Belarussen brachten die Vögel zum Singen
Von: Hans Berger
Wie vergangenen Samstag der Präsident der Belarussischen Vereinigung Schweiz, Sergey Sirotkin beim „Frühling rufen“ in der Pfarrschüre der christkatholischen Kirche in Magden glaubhaft versicherte, fangen die Vögel erst an zu singen, wenn der Böögg verbrannt ist. Wie so oft der Zürcher, wollte auch der Belarussische Böögg von Magden kein Opfer der Flammen werden, doch wie sein Kollege auf dem Sechseläutenplatz konnte auch er seinem Schicksal nicht entrinnen. Danach aber schien es, als ob die gefiederten Tiere tatsächlich zu zwitschern anfingen. Naja, vielleicht waren sie auch nur etwas lauter, weil sie mit dem Gesang der vier Belarussischen „Lerchen“ konkurrieren wollten.
Belarussen brachten die Vögel zum Singen
Belarus
Soweit so gut, aber wer denn sind diese Belarussen eigentlich? Die Republik Belarus liegt im Zentrum Europas (28–32° östlicher Länge, 51–55° nördlicher Breite), nimmt die Fläche von 207‘600 km2 ein und ist somit rund fünf Mal grösser wie die Schweiz, grenzt an Polen, Lettland, Littauen, Russland und die Ukraine. Die Gesamtlänge der staatlichen Grenze beträgt 2‘969 km.
Richtig! - Belarus kann eigentlich nur Weissrussland sein mit Minsk als Hauptstadt, in der - gemäss westlicher Definition - seit 1994 der letzte Diktator Europas 2015 - allerdings mit achtzig Prozent Wähleranteil - zum fünften Mal gewählte Aljaksandr Lukaschenka regiert.
Kaum ein anderes osteuropäisches Land ist den Menschen in Westeuropa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs so seltsam fremd geblieben wie dieses Belarus. Schon der Name ist ein Rätsel: Heisst es nicht eigentlich Weissrussland? Und warum überhaupt weiss? Die Verwirrung hat historische Hintergründe, die bis heute die Entstehung einer belarussischen Identität erschweren.
Ein Grossteil des heutigen Belarus war Teil des ostslawischen Siedlungsgebiets, das historisch als "Rus" bezeichnet wird. Das Wort "bely" (weiss) bezeichnet historisch auch die Himmelsrichtung „Westen“, sodass Belarus so viel wie "westliche Rus" bedeutet.
Belarussische Vereinigung
Die Belarussische Vereinigung in der Schweiz besteht seit fünf Jahren. Die Organisation verfolgt unter anderem Ziele wie die Unterstützung belarussischer Mitbürger bei ihrer Integration in die Schweizer Gesellschaft, die Pflege und Bekanntmachung belarussischer Kultur in der Schweiz, die Förderung des interkulturellen Dialogs sowie den Ausbau von Beziehungen auf wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und humanitärer Ebene zwischen der Schweiz und Belarus.
Die Organisation ist nicht kommerziell, ist unpolitisch und konfessionell neutral. Von den nach Einschätzung des Präsidenten Sergey Sirotkin in der Schweiz lebenden rund 5‘000 Belarussen sind nur deren knapp vierzig Mitglieder der Vereinigung.
Frühling rufen
Das Ambiente des Festes entsprach in etwa unserer gängigen Vorstellung eines Auslandschweizertreffens weit ab von zu Hause, wo allenfalls mit einem Lied wie „Luegit vu Bärg und Tal“ oder Schwyzerörgelimusik Heimatgefühle geweckt werden.
Diesen Part übernahmen in Magden nach einer über 2‘000 Kilometer langen Anfahrt die vier singenden „Lerchen“, zwei Musiker mit Dudelsäcken belarussischer „Bauart“ und dem Programm „Da lief der Winter vor dem Frühling davon“. Auffällig am Fest war der Sprachenmix zwischen Belarussisch, Russisch und Deutsch.
Zum kulinarischen Höhepunkt gehörten die traditionell-historischen Blinis (eine Art Omelette), Schkwarki (eine Art gefüllte Teigtaschen) sowie viel „Grünzeug aus Babuschkas Garten“ (Kabis, Auberginen, Gurken, Tomaten usw.). Besonders begehrt waren auch die aus einem mit Nelken gewürzten Zopfteig gebackenen kleinen Vögelchen. Der Durst wurde mit Wasser, Frucht-Säften, Kwas, Bier, Wein, Wodka gelöscht. Auf „moderne“ Getränke wird absichtlich verzichtet, wie Präsident Sergey Sirotkin betonte.
Das kulturelle Highlight war gewiss die Verbrennung des Bööggs, die dazu gehörige Zeremonie, der Verbindung stiftende Kreistanz und die mal melancholisch, mal fröhlich tönende Musik. Durchaus vorstellbar, dass das „Frühling rufen“ in Belarus etwas deftiger, etwas ausgelassener gefeiert wird wie vergangenen Samstag in Magden. Nichtsdestotrotz wurde den Schweizer Gästen das unbekannte, seltsame, fremde Belarus ein Stück näher gebracht.
Mensch bleibt Mensch
Es war ein beispielhaftes Völkerverbindendes Fest das offenbarte, dass alle Menschen nach dem gleichen Muster gestrickt sind, die - abseits von Politik, Religion und Wirtschaftsinteressen - friedlich miteinander reden, singen, tanzen, essen und trinken können. Mensch bleibt eben immer Mensch!
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