Rehmann-Museum – provoziert und fasziniert
Von: Hans Berger
„Bien cuit“ (gut durchgekocht / durchgebraten), heisst die aktuelle Ausstellung im Rehmann-Museum Laufenburg mit Skulpturen und Objekten aus Keramik. Es ist jedoch nicht gänzlich auszuschliessen, dass unter den Essern die von den Gastköchen zubereiteten Speisen als zu salzig empfunden werden und sich darum nach einigen Versuchern direkt dem Dessert im Skulpturengarten des Hausherrn zuwenden.
Rehmann-Museum – provoziert und fasziniert
Kunst sei Faszination und Provokation zugleich. Ein Künstler, der nicht provoziere, werde unsichtbar. Kunst, die keine starken Reaktionen auslöse, habe keinen Wert. Die bildende Kunst rege alle unsere Sinne an. Sie lehre uns Sehen, das genaue Hinschauen. Sie aktiviere unsere Phantasie, sie wecke unsere Emotion, sagen jene Kunstfreunde, die beim Betrachten eines Werkes provoziert werden wollen und denen eine Suppe nie salzig genug sein kann. Ihnen muss dann auch das Rehmann-Museum mit seiner aktuellen Ausstellung „Bien cuit“ wie ein Gourmet-Tempel vorkommen.
Ziel erreicht
In der Tat, was die vier Gastkünstler Selina Baumann, Martina Böttiger, Matthias Frey und Uwe Karlsen den Besuchern kredenzen wird wohl manche erstmals ins Grübeln und ans Ende ihres Kunstverständnisses bringen. „Ziel erreicht!“, werden dann die extraordinären Kunstfreunde frohlocken, „die Kunstwerke haben - genau in unserem Sinne – provoziert, bei ihnen eine starke Reaktion ausgelöst, die Emotionen geweckt! Was will man denn mehr?“ „Künstler sprechen eben die ureigenste Sprache der Zeit, sie fordern und fördern kritische Selbsterkenntnis und Mitverantwortung, bringen die Leute zugleich zum Sehen, Nachdenken und manchmal auch zum Umdenken.“
Kunst soll provozieren, aber wo liegen die Grenzen?
Eine Frage, deren Antwort so individuell ist wie jene, die sie beantworten. Grenzen, die nicht eindeutig markiert sind, werden kaum als solche empfunden. Wohin dies führt, wenn die Menschen die Grenzen der Kunst sichtbar markieren wollen, zeigen in unserer Hemisphäre zahlreiche Verbrennungen und Zerstörungen von Büchern, Gemälden, Skulpturen, in zum Glück weit zurückliegenden Zeiten, letztmals durch die Nazis im Dritten Reich. Momentan geschieht jedoch selbiges durch die Anhänger vom Islamischen Staat, welche selbst vor so brutalen Anschlägen wie auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris nicht zurückschrecken.
Komplex wie simpel
Weil die Kunst eben grenzenlos und mit wenigen Ausnahmen keinen Vorschriften unterworfen ist, kann jedes „Ding“ ein Kunstwerk sein, wenn es durch eine Intention zu einem solchen erklärt oder gemacht wird. Die Sinnhaftigkeit oder gar die Gefälligkeit spielt dabei überhaupt keine Rolle und es ist nicht einmal nötig, dass das „Ding“ als Kunstwerk erkannt wird. Das alleinig zählende ist die Intention, diese kann sowohl komplex wie simpel sein oder im einfachsten Fall nur aus der Selbstdeklaration „das Ding ist ein Kunstwerk“ bestehen.
Die Tatsache, dass ein Ding ein Kunstwerk sein soll, verleiht ihm einfach eine neue Qualität, die es vorher nicht besass, nämlich für diejenige Person, welche die Intention dazu gehabt hat. Die Betrachter aber können der Person nicht beweisen, dass sie lügt. Sie haben aber die Freiheit, das „Ding“ nicht als Kunstwerk zu akzeptieren, müssen jedoch anerkennen, dass es für die betreffende Person ein Kunstwerk ist.
Betrachter / Künstler
Grosso modo gilt in etwa Selbiges auch für die Titel „Künstlerin / Künstler“. Es liegt auf der Hand, diejenigen Personen als „Künstlerin / Künstler“ zu bezeichnen, welche die Intentionen hatten, ein „Ding“ zum Kunstwerk zu machen. Im Gegensatz zu früher kann jedoch heute die Differenz zwischen Kunstschaffenden und Betrachtern nicht mehr so scharf gefasst werden.
Denn es obliegt der Freiheit der Betrachter, in ihren vier Wänden irgendein ihnen gefälliges „Ding“ aufzuhängen und dieses als Kunstwerk einzustufen, ohne dass vorgängig jemand eine Intention für dieses „Ding“ hatte.
In den heutigen Ausstellungen sind die Kenntnisse über die persönliche Intention der Künstler eher zweitrangig geworden. Beim Betreten einer Galerie, eines Museums gehen die Besucher grundsätzlich davon aus, dass alle „Dinge“, die ihnen gleich begegnen, Kunstwerke sein sollen und wollen diese nach eigenem Gutdünken interpretieren und notabene den Daumen nach oben oder nach unten richten.
Fazit
„Bien cuit“ ist vermutlich für die Stamm-Besucher eine der herausforderndsten Ausstellung in der Geschichte vom Museum Rehmann. Bei der Begegnung mit den Skulpturen und Objekten aus Keramik sind die Intention der BetrachterInnen gefordert - aber egal, was daraus resultiert, die Gedankenspiele sind spannend, der Besuch ein Abenteuer.
Anmerkung: Die ausführliche Fotoreportage verschafft lediglich einen Eindruck der Ausstellung, ersetzt jedoch nicht deren Besuch, da die Fotos weder die Intensität, noch die Farben und Perspektiven der Werke zu wiedergeben vermögen.
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»