„Klein- Leonforte“ in Laufenburg
Von: Hans Berger
Die aktuelle Ausstellung im Laufenburger Museum Schiff „Leonforte/Laufenburg: Geteilte Erinnerungen“ ist kein Ruhmesblatt für die jüngste Schweizer Geschichte, denn sie handelt von jener Zeit, als die italienischen Gastarbeiter einfach nur „Tschinggen“ oder gar „Sautschinggen“ waren und beinah den selben Status wie in Amerika die „Nigger“ genannte schwarze Bevölkerung hatten. Gleichzeitig zeigt die Ausstellung jedoch wohltuend auf, dass sich aus einer einst tiefen Verachtung eine freundschaftliche Verbundenheit entwickeln kann.
Ausstellung im Laufenburger Museum Schiff „Leonforte/Laufenburg: Geteilte Erinnerungen“
Als nach den tristen Kriegsjahren die Schweizer Wirtschaft Ende der 1950er, anfangs der 1960er Hochkonjunktur feierte und es allerorts an Arbeitskräften mangelte, wurden zuerst die Norditaliener gerufen; dies vernahmen auch bald ihre sozial schlechter gestellten Landsleute im Süden.
Die Mund-zu-Mund-Propaganda führte dazu, dass sich sukzessive Bewohner der sizilianischen Kleinstadt Leonforte in Laufenburg ansiedelten und ein besseres Leben erhofften. Dies und der Umgang zwischen den heimischen und der fremden Bevölkerung ist die Ausgangslage der eindrücklichen Ausstellung im Museum Schiff.
Unmenschlich
Die Ausstellung macht bewusst, dass sich im Verhältnis der heimischen zu fremden Menschen wenig bis nichts geändert hat. Waren es zu jener Zeit die Italiener, die mit viel Argwohn beobachtet und geduldet wurden, sind es heute die Afrikaner. Wie heute die anerkannten Flüchtlinge, fanden damals auch die Italiener kaum eine anständige Unterkunft und mussten nicht selten äusserst beengt zu sechst in einem Zimmer nächtigen und sich eine Küche und eine Toilette teilen.
Frechheit
Ach, und was die doch alles für grausige und stinkige Sachen gegessen haben. Kaum vorstellbar, dass dies dereinst die Heimischen als Delikatesse klassieren würden. Und dann hatten die jungen, sportlichen Burschen auch noch die Frechheit, den jungen Schweizer Damen nachzupfeifen, welche zum grossen Verdruss von Vater und Mutter meist noch Gefallen daran hatten.
Wie Du und ich
Irgendwann merkten die Heimischen: „Das sind ja Menschen wie Du und ich“ und die nicht mehr ganz so fremden Männer durften ihre Familie in die Schweiz holen. Ja, und plötzlich entdeckten die Heimischen, dass eine Reise in den Süden eigentlich schick und fein ist, fanden gar an den von Conny Froboess 1962 vorgestellten „Zwei kleinen Italienern“ grossen Gefallen und selbst die Bekennung „I bin en Italiano und spiele guet Piano, I gange i d'Fabrigg und mache Stugg für Stugg“ wurde zum Hit.
Aufruhr
Das Eis war am schmelzen, Freundschaften entstanden. Doch die am 7. Juni 1970 zur Abstimmung stehende, von Bundesrat, Parlament, Parteien, Gewerkschaften, Industrie- und Wirtschaftsverbänden sowie den Kirchen bekämpfte Überfremdungsinitiative (Begrenzung der ausländischen Bevölkerung in allen Kantonen auf zehn Prozent) von James Schwarzenbach brachte Aufruhr in die damals 6,181 (heute 8,327) Millionen zählende Bevölkerung. Das Ausschnaufen war gross, als die Initiative mit 54 Prozent abgelehnt wurde.
Nachhaltig
Besonders eindrücklich und nachhaltig an der Ausstellung „Leonforte/Laufenburg: Geteilte Erinnerungen“ sind nebst den vielen schriftlichen Informationen und unzähligen Fotos die via Band zu hörenden Erzählungen aus der damaligen Zeit von „Klein- Leonforte“ in Laufenburg.
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