Generationentreff im Museum Rehmann
Von: Hans Berger
Die zwei Schlagwörter „Generationenkonflikt“ und „Generationenvertrag“ sind bestimmend, wenn das Zusammenleben zwischen Jung und Alt debattiert wird. Im täglichen Leben indes spielen sie eher eine untergeordnete Rolle, weil familienintern das Dreigenerationenverhältnis zwischen Grosseltern, Eltern, Enkeln mehrheitlich intakt ist. Schlagzeilen von Jugendlichen, die Senioren auf offener Strasse verprügeln suggerieren ein Missverhältnis zwischen Alt und Jung. Ein Eindruck, der jedoch am vergangenen Montag beim zweiten Generationentreff im Museum Rehmann in Laufenburg gehörig auf den Kopf gestellt wurde.
Generationentreff im Museum Rehmann
6‘000-jähriges Gejammer
Der Generationenkonflikt ist Teil der Menschheitsgeschichte, schon in einer Inschrift um 2‘000 v. Chr. ist zu lesen: „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern.“ Rund 2‘000 Jahre später klagt der griechische Philosoph Aristoteles: „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen." Und wiederum rund 2‘000 Jahre später ist heute selbiges Gejammer noch immer zu hören. Es ist daher mehr wie müssig, über das Thema zu diskutieren.
Gemeinsam
Viel wichtiger ist angesichts der demographischen Entwicklung der Bevölkerung die Diskussion über den nur fiktiv vorhandenen und obendrein nur die Sicherstellung der AHV-Renten der alternden Gesellschaft abdeckenden „Generationenvertrag“. Weil bekanntlich Geld alleine nicht glücklich macht, kann der finanzielle Aspekt eines „Generationenvertrags“ nur ein kleiner Teil davon sein. Von grösserer Bedeutung ist der Umgang miteinander und die gegenseitige Wertschätzung, was jedoch nicht vertraglich, sondern nur im stetigen Dialog miteinander geregelt werden kann.
Win-Win
Hand dazu bietet „GiM – Generationen im Museum“, eine Initiative des Migros-Kulturprozent zur Förderung von Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen in mittlerweilen fünfzig Museen der Deutschschweiz. Gim bietet Vermittlerinnen und Vermittlern solcher Begegnungen finanzielle Unterstützung.
Eine Win-Win Aktion, wie sich am vergangenen Montag im Museum Rehmann in Laufenburg herausstellte, das nebst der 4. Klasse der Oberstufe vom Laufenburger Schulhaus Blauen auch "ältere Semester“ zum zweiten Generationentreff geladen hatte. Während die Schülerinnen und Schüler bis anhin im Schnitt gerade Mal den fünfzehnten Lenz erlebten, durften deren Gesprächspartner den Frühlingsduft schon zwischen zwei bis fünf Mal so viel riechen, den Rekord inne hatte allerdings mit seinen 94 Jahren der Hausherr Erwin Rehmann.
Korrektur
Kern des Generationentreffens ist, dass sich altersdurchmischte Kleingruppen ein Kunstobjekt aussuchen und sich dazu, losgelöst von den Vorgaben der Künstler, eine Kurzgeschichte ausdenken. Um ihren „Schützlingen“ den „Spass an der Freude“ nicht zum Vornherein zu nehmen, war die Klassenlehrerin Sibylle Gerspach mit diesbezüglichen Informationen zurückhaltend gewesen.
So erfuhren die Schülerinnen und Schüler also erst bei der Begrüssung von Regula Laux, zuständig für Kommunikation und Koordination, was von ihnen erwartet wird. Die Reaktion hätte vermutlich Aristoteles dazu bewogen, sein Bild von der Jugend neu zu überdenken, wie überhaupt alles, was von diesem Moment an im Museum ablief.
Freipass
Der Kunstmaler Pablo Picasso (1881-1973) gestand einmal: „Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten!“ Wenn dies also selbst der grosse Meister nicht weiss, so müssen selbiges die Nichtmeister (sprich, gewöhnliche Betrachterinnen, Betrachter) erst recht nicht wissen. Sie verfügen somit über einen von höchster Stelle zugesprochenen Freipass, um in den Kunstwerken das zu sehen, was sie wollen.
Genau das taten die Jugendlichen und offenkundig mit viel Spass. Wie alle Kunstwerkbetrachter betrachteten die Jugendlichen die Kunstwerke auch aus ihrer gegenwärtigen Situation und ihrem Wissensstand. So wurde beispielsweise aus Erwin Rehmanns „Rufer“ ein Sportler, die sitzende Frau mit Kugel zur Eva, eine Skulptur vom gehassten zum geliebten Möbel.
Der eindrückliche Baumtorso mutierte zum Geschichtsbaum oder Märchenwald und war gar Teil eines Thrillers. Eine weitere Plastik diente als Vorlage für eine dramatische Familiensaga. Aus Anton Egloffs „7 Knäuel“ wurde ein Fussballfeld und dessen „City IX / XII“ symbolisierte für einen Geschichteschreiber einerseits die Wohnungsnot und andererseits eine Siedlung, in der er nicht wohnen möchte. Letztlich alles Geschichten, die das noch junge Leben schrieb.
Den Verfassern ist zu wünschen, dass sie der Kunst weiterhin so offen begegnen und sie nutzen, um den eigenen Standpunkt zu festigen oder zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Einig waren sich die Teilnehmer, dass der Generationentreff allen etwas gebracht hat.
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