Das Lebensgefühl der jungen Generation
Von: mm/f24.ch
Wirtschaftliche Verunsicherung steigert das Engagement der Jugendlichen. Die Jugend geht in der Regel bewusst mit digitalem Populismus um, weiss aber wenig vom Risiko von Filterblasen. Erste Erkenntnisse zur Generation Z zeigen einen Hang zur digitalen Selbstdarstellung. Das sind die Hauptergebnisse des vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von Credit Suisse eruierten Jungenbarometers 2016.
Das Lebensgefühl der Jugendlichen in der Schweiz 2016 ist von den Entwicklungen und Möglichkeiten des Internets und der digitalen Welt im Allgemeinen bestimmt. Offline zu sein, das so genannte "digital Detoxing", ist völlig "out". Das permanente Kommunizieren und Konsumieren von Information und Bildern ist die Norm.
Einer der Megatrends der letzten sechs Jahre ist die flächendeckende Etablierung von Smartphones. Damit einhergehend haben sich der Medienkonsum und die Kommunikation von Jugendlichen fundamental verändert.
Gerade für den Austausch untereinander erweisen sich neue Tools als höchst interessant für Junge. Dies führt dazu, dass Trends in der Kommunikation hochdynamisch sind. Was dieses Jahr "in" ist, kann schon nächstes Jahr durch ein neueres, noch besseres oder billigeres Tool ersetzt werden.
Quasi aus dem Nichts konnten sich beispielsweise Instagram und Snapchat jüngst bei den Jugendlichen etablieren. Facebook dagegen – einer der Megatrends der ersten Untersuchungsjahre – hat seinen Zenit überschritten und verliert aktuell an Mitgliedern. Die Bedeutung des Internets generell nimmt jedoch auf hohem Niveau weiter zu.
Grundsätzlich sind Kommunikationstrends bei Jugendlichen durch zwei Faktoren bestimmt: durch den Preis und den Coolness-Faktor. Definitiv als "out" gelten 2016 Briefe, Festnetztelefone, Handys ohne Internet und SMS.
Des Weiteren bestimmt der Preis von Produkten und Programmen die Nutzung: Jugendliche nutzen nur, was sie sich auch leisten können, weshalb Gratis- oder Billig-Angebote wie beispielsweise WhatsApp Erfolg haben. Teure Gadgets wie eine Smartwatch oder zahlungspflichtige Dienste wie Spotify sind zwar "in", werden aber nur von der Minderheit genutzt.
Der Lebensentwurf der Jugendlichen in der Schweiz ist weiter stark von individualistischen und freiheitsliebenden Tendenzen geprägt, die jedoch problemlos mit postmaterialistischen Werten in Einklang gebracht werden. Jugendliche hegen den Wunsch, ihre Träume zu verfolgen, vieles auszuprobieren und betonen die Wichtigkeit einer gesunden Work-Life-Balance. Verbreitet ist aber auch der Wunsch nach Familie, Wohneigentum und einer soliden Ausbildung.
Es finden sich aber auch Entwicklungen, die eher weg von diesen Attributen der Generation Y gehen. Die Trends legen die Vermutung nahe, dass in der Lebensrealität junger Menschen in der Schweiz in den vergangenen zwei bis drei Jahren etwas in Bewegung geraten ist. Nicht nur werden klassische Erfolgskomponenten wieder stärker betont, auch rücken monetäre Lebensziele wieder stärker in den Fokus.
Flexibilität in der Lebensplanung bleibt eines der Leitmotive von Jugendlichen in der Schweiz. Auch wenn Ziele generell wichtig sind und gesteckt werden, so ist man auf dem Weg dorthin flexibel.
Mediennutzung – Kommunikationsverhalten
Die durch den Aufstieg des Internets ausgelöste Pluralisierung der Medienlandschaft hat neue Möglichkeiten eröffnet. Andy Warhols Vision einer Gesellschaft, in der jeder seine 15 Minuten Ruhm erfahren wird, ist heute faktisch Realität, oder zumindest besteht für jeden und jede die Möglichkeit, aber auch die Gefahr, auf die eine oder andere Weise zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu gelangen.
Mit der quasi flächendeckenden Verbreitung von Smartphones hat sich die Häufigkeit des Nachrichtenkonsums von Schweizer Jugendlichen polarisiert. Eine steigende Anzahl Jugendlicher informiert sich ereignisaktuell mehrmals täglich. Dem gegenüber steht eine steigende Anzahl, die sich selten bis gar nie über das Tagesgeschehen informiert. Die klare Mehrheit ist täglich auf aktuellem Stand. Gedruckte Gratiszeitungen bleiben die wichtigste Informationsquelle, verlieren jedoch an Attraktivität und Wichtigkeit. Etabliert haben sich dagegen Newskanäle wie News-Apps und Facebook.
Medien und das Internet prägen das Lebensgefühl der Generation Y und beanspruchen entsprechend viel Zeit. Mindestens eine bis zwei Stunden täglich wird dafür aufgewendet.
Bei aller Affinität zu digitalen Medien und sozialen Netzwerken ist eine gesunde Portion Skepsis in Bezug auf dort vorgefundene Informationen vorhanden. Am meisten Vertrauen wird etablierten Medientiteln wie dem SRF, der NZZ oder dem Tagesanzeiger entgegengebracht. Misstrauisch sind Junge Meldungen gegenüber, die aus Boulevardblättern und internetbasierten Newskanälen stammen.
Posts, Comments, Shares und Likes sind die soziale Währung der 2010er Jahre. Früh machte sich die Werbung und später auch die Medien diesen Trend zunutze. In Kombination mit der gesteigerten Häufigkeit des Nachrichtenkonsums und der Möglichkeit für jedermann, sich in Diskussionen einzubringen, hat dies den öffentlichen Diskurs verändert und neue Phänomene wie Alltagshelden, neue Protestformen, neue Finanzierungsmodelle für Kampagnen oder den digitalen Populismus hervorgebracht.
Jugendliche empfinden es grundsätzlich als Vorteil, dass man sich im Internet an politischen Diskussionen beteiligen kann, verschliessen sich aber auch daraus entstehenden Problemen gegenüber nicht. Geschätzt wird die Artikulationsfunktion sozialer Netzwerke und deren Fähigkeit, Asymmetrien im Machtgefüge umgehen zu können. Allerdings gibt es auch kritische Haltungen, vor allem in Bezug auf Shitstorms und der verstärkenden Wirkung, die negative Emotionen in Online-Kommentaren auf Hassgefühle haben können.
In Bezug auf digitalen Populismus sind die Jugendlichen insofern sensibilisiert; aber sie sind nicht davor geschützt. Denn das Wissen um Filtermechanismen in sozialen Netzwerken und das daraus hervorgehende Verzerrungs- und Manipulationspotenzial ist überraschend gering.
Punkto Datenschutz im Internet fällt auf, wie hoch die Eigenverantwortung gewichtet wird und wie tief diesbezüglich die Ansprüche an die anbietenden Unternehmen sind. Primär sieht sich jeder Einzelne selbst in der Verantwortung, seine Daten zu schützen. Es folgen Schulen und der Staat und erst dahinter die verschiedenen Anbieter.
Ausbildung – Beruf – Wirtschaft – Finanzen
Für junge Menschen sind ein spannender Beruf und eine gute Aus- und Weiterbildung wichtige Ziele im Leben und dafür sind sie auch bereit etwas zu leisten. Eine Karriere oder soziales Prestige sind jedoch nicht Primärziele. Vielmehr wird berufliche Zufriedenheit und Freude an der Arbeit priorisiert – ganz in der Manier der Generation Y.
Mit der aktuellen Berufs- oder Ausbildungssituation sind die Schweizer Jugendlichen zufrieden. In Bezug auf die berufliche Zukunft macht sich allerdings 2016 steigende Verunsicherung bemerkbar. Auch scheinen Verschärfungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt dazu geführt zu haben, dass vermehrt das Gefühl vorherrscht, froh sein zu müssen, überhaupt einen Job zu haben. Die Ansicht, es sei eigenes Verschulden, wenn man keine Stelle findet, ist weniger verbreitet.
Ausserdem kommt 2016 latente Kritik an Bildungsinstitutionen zum Ausdruck: So sind Jugendliche weniger klar der Meinung, dass schlechte Schulnoten auch schlechte Berufschancen bedeuten, und so Wenige wie nie zuvor geben an, dass einen die Schule gut auf die Berufswelt vorbereite.
Könnten Schweizer Jugendliche frei wählen, wären sie nach wie vor am liebsten im Bildungswesen tätig, gefolgt von der Reise- und der Medienbranche. Konkret nach einem Unternehmen gefragt, antworten Schweizer Jugendliche mit Abstand am häufigsten damit, am liebsten bei Google arbeiten zu wollen. Es folgen mit Roche, Credit Suisse, Novartis und SBB gestandene Grössen der Schweizer Wirtschaft.
Immer deutlicher werden Teilzeitarbeitsmodelle gewünscht und auch die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten entspricht offensichtlich dem Nerv der Zeit.
Der Grossteil der Schweizer Jugendlichen ist frei von finanziellen Verpflichtungen und geht bedacht mit Geld um. Von geschenkten 10‘000 CHF würde der grösste Anteil auf ein Sparkonto einbezahlt werden. 2016 ist dieser Wert allerdings zurückgegangen und man will lieber etwas mehr Geld für Ferien ausgegeben. Investitionen in Aktien oder in Fonds sind für jugendliche SchweizerInnen so unattraktiv wie nie zuvor und die wirtschaftliche Orientierung der Jungen ist gering und abnehmend.
Politik; Ansichten – Probleme – Sorgen
Politische Elemente geniessen in der Wertorientierung der EinwohnerInnen zwischen 16 und 25 Jahren zwar nicht die höchste Priorität und politisches Engagement im engeren Sinn bleibt wenig zentral, aber gerade im Bereich des Umweltschutzes reisst das Bedürfnis/der Wunsch nach Lösungen nicht ab.
Es ist eine Art Politisierung im Gang, jedoch eher eine diskursive, denn Mitgliedschaften in Parteien oder die Teilnahme an Demonstrationen finden sich nicht häufiger, wohl aber politische Verortungen und die Nennung politischer Probleme. Eine Erklärung für das gestiegene Engagement von Jugendlichen könnte in ihrer pessimistischeren Zukunftsvision liegen, die von gemischten Gefühlen geprägt wird.
Falsch wäre jedoch, hinter dem gestiegenen Engagement politischen Unmut unter den Jungen zu vermuten, denn anders als zu Beginn der Untersuchungsreihe sehen Jugendliche aktuell kaum Reformbedarf am politischen System der Schweiz und sind auch mit der Regierung zufrieden.
Neu ist 2016, dass sich der Primärfokus der Problemlösung für die dringendsten Probleme der Schweiz erstmals verschoben hat. Jugendliche wünschen sich an erster Stelle eine Lösung in der Flüchtlingsproblematik und erst danach Lösungen in Ausländerfragen generell. Auch wünschen Jugendliche aus der Schweiz Lösungen im Umgang mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, der Altersvorsorge und dem Umweltschutz.
Es hat somit eine inhaltliche Verlagerung der Migrationsdebatte eingesetzt; weg vom Dauerthema AusländerInnen und Personenfreizügigkeit, hin zum aktualitätsgeladenen Thema Flüchtlinge. Die Zuwanderung an und für sich wird dabei als unproblematisch bewertet.
Sorgen im Zusammenhang mit der EU waren im Nachgang zur angenommenen Masseneinwanderungsinitiative auf ihrem Höhepunkt. Seither ist die Problemwahrnehmung deutlich zurückgegangen. Die politischen Konsequenzen dieses Stimmentscheids beschäftigen die Politik bis heute. Ginge es nach den Schweizer Jugendlichen, wären die Prioritäten klar: Erste Priorität hätte die Fortsetzung der bilateralen Verträge, als zweite Priorität käme am ehesten ein EWR-Beitritt in Frage.
Eigenschaften und Lebensentwurf
Grundsätzlich sind die Jugendlichen in ihren Wertorientierungen relativ stabil. 2016 finden sich allerdings leise Anzeichen dafür, dass eine Verschiebung losgetreten worden sein könnte, ohne sich jedoch in klarer Form zu manifestieren.
Oberste Priorität haben solide und vertrauensvolle Beziehungen – seien sie nun freundschaftlicher, partnerschaftlicher oder familiärer Natur. Auch betonen die Jugendlichen Werte, die Sicherheit in Beziehungen überhaupt erst ermöglichen.
Man will zudem als Persönlichkeit respektiert werden, selbstständig und unabhängig sein. Entsprechend ist man auch bereit Verantwortung für sein Tun zu übernehmen und auf sich selbst und seine Umwelt zu achten.
Denkbar ist, dass Jugendliche der Generation Y in ihren Beziehungen die Stabilität und Sicherheit suchen, auf die sie sich beispielsweise in der Arbeitswelt nicht verlassen können. Doch wollen sie auch das Leben geniessen und betonen ihre Unabhängigkeit. Das passt zum Bild der Generation Y, die Entscheidungen aus der eigenen Nutzenperspektive fällt und durch ein unsicheres Umfeld auf sich selbst gestellt ist.
Interessant ist im Wertegefüge der jungen SchweizerInnen der gestiegene Anspruch, nach den eigenen religiösen und spirituellen Werten leben zu können.
Obwohl religiös nicht unbedingt eine Eigenschaft ist, die mit der Generation Y in Verbindung gebracht wird, scheint areligiös ebenso das falsche Attribut für die Generation Y zu sein. Vielmehr ist sie wohl als spirituell zu bezeichnen, da eine Mehrheit angibt, an eine höhere Macht zu glauben. Atheistische Tendenzen können jedoch auch nicht von der Hand gewiesen werden, so dass die Generation Y wohl zwei Lager kennt: ein spirituelles und ein atheistisches.
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