Alles prima – und doch Schmerzen
Von: Sara Käch, Interpharma
Jeder Mensch weiss, was Schmerzen sind. Doch Schmerzen treten in ganz unterschiedlichen Formen und Stärken auf. Dr. Petra Hoederath betreut und berät an der Klinik Stephanshorn SG in einer neu geschaffenen Schmerzabteilung besonders komplexe Fälle.
Muskelkater, Zahnweh, Hexenschuss – Schmerz hat viele Namen. Schmerz kommt, und meist geht er wieder. Oft klingt er von alleine ab, oder es hilft eine Salbe oder eine Tablette: Gegen die Prellung zum Beispiel etwas Voltaren (Wirkstoff Diclofenac). Gegen Migräne eine Tablette Parcetamol. Gegen Menstruationsbeschwerden ein Ibuprofen. Paracetamol und Ibuprofen gehören zu den weltweit gebräuchlichsten Wirkstoffen, die im Alltag gegen Schmerzen helfen. Nicht zu vergessen Aspirin, dessen schmerzlindernde Wirkung auf der Substanz Acetylsalicylsäure (ASS) beruht.
Schmerz kommt, und meist geht er wieder. Doch manchmal bleibt er und wird zu einem lästigen Begleiter. Rheumapatientinnen und -patienten kennen diese leidvolle Erfahrung. Auch Menschen mit einem fortgeschrittenen Krebsleiden stehen Schmerzen fast ohnmächtig gegenüber.
Um Patienten und Patientinnen, für die nur noch der Schmerz bleibt, aber keine Hoffnung mehr auf eine Heilung vor dem nahenden Tod besteht, kümmert sich die Palliativmedizin. Deren Ziel ist dann an erster Stelle die Schmerzlinderung, um die restliche Lebenszeit so lebenswert wie nur möglich zu halten.
Schmerz, den es nicht geben dürfte
Schmerz ist manchmal auch da, wo es ihn gar nicht geben dürfte: „Da kommt zum Beispiel ein Patient in meine Schmerzsprechstunde, der zwei Bandscheibenoperationen hinter sich hat. Der Chirurg sagt, die Operationen seien einwandfrei verlaufen, und auf den Röntgenbildern und dem Kernspintomogramm sieht tatsächlich alles wunderbar aus.
Doch der Patient hat eine andere Wahrnehmung. Er klagt über dumpfe Schmerzen im Rücken und ein Brennen in den Beinen. Schmerzmittel, Spritzen, Physiotherapie und auch lokale Massnahmen helfen kaum. Der Schlaf ist gestört, selbst das Gewicht der Decke wird ihm zur Qual. Der Patient ist krank geschrieben, er kann seine Familie nicht mehr ernähren und hat Existenzängste. Aus seinen Worten spricht Verzeiflung.“ Die Schilderung stammt von Dr. Petra Hoederath, Schmerzspezialistin an der Klinik Stephanshorn in St. Gallen. Es ist ein typischer Ausschnitt aus ihrem medizinischen Alltag.
Petra Hoederath ist Fachärztin für Neurochirurgie. Fast 15 Jahre hat sie am Kantonsspital St. Gallen gearbeitet, lange Zeit als Oberärztin im Führungsteam des Schmerzzentrums. In diesem Frühjahr hat sie in die Klinik Stephanshorn der Hirslanden-Gruppe gewechselt. Dort baut sie seither eine neue Abteilung auf für die Behandlung von Personen, die an starken, chronischen Schmerzen leiden, die einer vertieften Abklärung bedürfen. Petra Hoederath kann hier ihre langjährige Erfahrung in der Behandlung von Schmerzpatienten einbringen.
„Die Wahl der richtigen Medikamente und die richtige Dosierung sind essentiell“, sagt die 48jährige Schmerzspezialistin. Es sind rund dreissig bis vierzig Schmerzmedikamente, die im Alltag einer Ärztin zum Einsatz kommen, für die Behandlung schwerer Fälle auch starke Schmerzmittel wie Morphin und Kombinationen mit Antiepileptika oder Antidepressiva.
„Die Dosis muss individuell an den Schmerz angepasst werden und kann auch schon mal über 100 mg Morphinäquivalenz erreichen. Oft helfen nur Dosierungen, die sonst für eine ganze Fussballmannschaft reichen würden“, sagt Hoederath.
Ganzheitlicher Ansatz
Medikamente sind ein zentraler Pfeiler der Schmerzbehandlung, aber nicht der einzige. Erfolge erzielt Petra Hoederath auch mit Neuromodulation, bei der zum Beispiel Rückenschmerzen mit elektrischen Impulsen eines implantierten Schrittmachers behandelt werden.
Linderung verschaffen überdies Physiotherapie, Entspannungsmethoden und psychosomatische Hilfestellungen. „Schmerz hat neben der biologischen auch eine psychische und eine soziale Dimension, die wir in der Therapie unter Einbezug der jeweiligen Experten ansprechen müssen, um etwa aufkeimende Depressionen zu erkennen oder den Rückzug aus dem Freundeskreis zu verhindern“, sagt Hoederath.
Mitunter setzt die geborene Kölnerin auf alternativmedizinische Ansätze. Dann verschreibt sie in Absprache mit ihren Patientinnen und Patienten anthroposophische Schmerzöle oder Globuli aus der homöopathischen Medizin. Und immer wieder Akupunktur.
Bei diesen Ausflügen über die Grenzen der Schulmedizin hinaus lasse sie sich von den Bedürfnissen der Patienten leiten, sagt Hoederath: „Bei mir steht der Mensch im Mittelpunkt.“ Wichtig sei dabei, sich mit den Patienten über die eingesetzten Medikamente auszutauschen, deren Potenzial und Nebenwirkungen zu erörtern und ein gemeinsames Commitment zu finden. „Nur wenn die Medikamente eingenommen werden, nützen sie auch etwas.“
Ein gutes Gefühl
Petra Hoederath war seit 2006 Konsiliarärztin im Zentrum für Schmerzmedizin in Nottwil, sie arbeitet wissenschaftlich an der Universität Zürich, sie hält Vorträge über Schmerzen und schreibt Zeitungsbeiträge. Und ganz persönlich, wie kommt sie mit Schmerzen zurecht?
„Als Studentin erhielt ich einmal wegen Unterleibsschmerzen Morphin. Dabei lernte ich, wie wichtig eine richtige Dosierung ist. Abgesehen von diesem Fall komme ich mit Ibuprofen aus, alles andere kenne ich in erster Linie von meinen Patienten.“ Wenn Petra Hoederath die Welt der Schmerzen verlassen will, geht sie mit ihrem Mann, einem Chirurgen, auf Reisen, gönnt sich ein gutes Essen oder geht Skifahren. Da schmerzen vielleicht einmal die Muskeln. Dieser Schmerz vermittelt das gute Gefühl, in einem gesunden Körper zu leben.
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