Warten auf „Godot“
Von: Hans Berger
Kaum war er, der von vielen ersehnte, zum Baden einladende, richtig heisse Sommer da, hätten ihn zwei Tage später andere am liebsten wieder in die Wüste geschickt und je länger er anhielt, desto grösser wurde deren Anhängerschaft. Was für eine Erlösung dann am vergangenen Montag, als die „Wetterfrösche“ nach siebentägiger Hitzewelle auf Mittwoch einen radikalen Wetterumschlag mit Gewitter, Sturm, Regen und Hagel prophezeiten. Die Zeit des Wartens auf „Godot“ nahm seinen Anfang...
Die Hauptfiguren des Theaterstücks „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett (1906-1989) sind die beiden Landstreicher Estragon und Wladimir, die an einem nicht näher definierten Ort, einer Landstrasse mit einem kahlen Baum ihre Zeit damit verbringen, „nichts zu tun“ und auf eine Person namens Godot zu warten, die sie nicht kennen, von der sie nichts Genaues wissen, nicht einmal, ob es sie überhaupt gibt. Godot selbst erscheint in der Tat bis zuletzt nicht, das Warten auf ihn ist offensichtlich vergeblich.
Egal wie…
So wie die beiden Landstreicher Estragon und Wladimir warteten ab Dienstagabend auch die der Hitze Überdrüssigen auf einen „Godot“. Weil von den Meteorologen angekündigt, waren sie zwar sicher, dass er kommt, kannten jedoch weder dessen Aufmachung, noch dessen Reisegepäck. Was ihnen unter den gegebenen Umständen auch egal war, Hauptsache er kommt.
Mutation
Am Dienstagabend dann erging es den Blumenfreunden ähnlich wie Becketts Landstreichern, „nichts tun“ war angesagt. Fürs begiessen von Blumen, Gemüse und Sträuchern war „Godot“ zuständig, welcher offensichtlich auch von einigen Bäumen sehnsüchtig erwartet wurde, wie deren welke Blätter verrieten.
Weil viele Gartenfreunde einen Worst Case erahnten, konnten sie, anders wie Estragon und Wladimir, ihre Hände nicht einfach in den Schoss legen, sondern brachten - als zuvorkommende Gastgeber - schweisstriefend alles in Sicherheit, damit, falls Godot im Sauseschritt vorbeikommt, er auch freie Bahn hat.
Im Laufe des Abend gab’s aber immer mehr Estragons und Wladimirs, welche allesamt sehnsüchtig auf diesen ominösen Godot warteten. Schliesslich wurden sie von der Müdigkeit übermannt und legten sich schlafen, ohne ihn getroffen zu haben.
Die Hoffnung bleibt
Grosse Enttäuschung dann am Morgen, als die Estragons und Wladimirs feststellen mussten, dass Godot nicht vorbeigekommen und von ihm weit und breit auch nichts zu sehen ist. Einige der Wartenden gaben ihre Hoffnung auf und holten nach, was sie am Vorabend Godot überlassen wollten, andere wiederum verharrten bis am Abend auf dem eingeschlagenen Weg. Und weil sich die Temperatur auch ohne Godots` Besuch auf ein erträgliches Mass gesenkt hatte, machte das Blumengiessen auch wieder Spass.
Am Ende eines jeden der beiden weitgehend identischen Akte vom Theaterstück „Warten auf Godot“ erscheint ein angeblich von Godot ausgesandter, etwas ängstlicher Botenjunge, ein Ziegenhirte, der verkündet, dass sich Godots Ankunft weiter verzögern, er aber ganz bestimmt kommen werde. Spätestens dann dämmern den Wartenden Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihrer Situation, lösen aber können sie sich dennoch nicht aus ihr, wie folgender, mehrfach wiederkehrender Dialog unterstreicht:
Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ah!
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