So wird der Umstieg auf Wasserstoff konkret
Von: Annette Stettien
Durch den Umstieg auf Brennstoffzellenautos lässt sich der CO2-Ausstoss massgeblich verringern. Die benötigte Wasserstoff-Infrastruktur könnte sich als Schlüssel erweisen, um fossile Energieträger künftig stärker durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Für den Aufbau der kompletten Infrastruktur für beispielsweise den deutschen Pkw-Strassenverkehr wären Investitionen in der Höhe von 61 Milliarden Euro erforderlich, schätzen Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich. Zum Vergleich: Über den relevanten Zeitraum von vierzig Jahren verteilt lägen die jährlichen Ausgaben damit unter den derzeitigen jährlichen Investitionen in das deutsche Erdgasnetz.
Wind und Sonne liefern weder gleichmässig Energie, noch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese gerade benötigt wird. Der massive Ausbau erneuerbarer Energien erfordert daher Lösungen, um zeitweilige Überschüsse zu verwerten und zu speichern. „Mithilfe von Elektrolyseuren kann man Lastspitzen nutzen, um aus Wasser Wasserstoff herzustellen, der sich ähnlich wie Erdgas unproblematisch und günstig in unterirdischen Salzkavernen lagern lässt“, erläutert Professor Detlef Stolten vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-3).
Pipelines in der Länge von 42‘000 Kilometer und rund 10‘000 neue Wasserstoff-Tankstellen wären nötig, um 75 Prozent der Pkw-Fahrzeuge mit Wasserstoff zu versorgen. Insgesamt müssten für Elektrolyseure, Pipelines, Wasserstoff-Tankstellen und die Erschliessung von Kavernen rund 61 Milliarden Euro aufgebracht werden.
Verteilt über die gesamte Aufbauphase von vierzig Jahren wären die jährlichen Ausgaben damit im Schnitt niedriger als die heutigen Investitionen in das Erdgasnetz: Die 633 Verteilnetzbetreiber in Deutschland haben alleine im Jahr 2013 rund zwei Milliarden Euro für den Erhalt und Ausbau des Erdgasnetzes ausgegeben.
Die Kosten für den Wasserstoff wären vergleichbar mit heutigen Kraftstoffkosten. Sie lägen – abhängig von der Vergütung des genutzten Stroms – umgerechnet nur wenige Cent pro Kilowattstunde unter oder über den heutigen Benzinpreisen. Auch in Sachen Komfort müssten Autofahrer keine Abstriche machen. Innerhalb von drei Minuten ist ein Brennstoffzellen-PKW vollgetankt. Die Reichweite beträgt bis zu 700 Kilometer.
Wegbereiter für Fortschritte beim Klimaschutz
„Mithilfe von Wasserstoff als Speicher könnte man einen grossen Teil der fossilen Kraftwerke durch Windkraft ersetzen“, erklärt Detlef Stolten. In ihrem Szenario gehen die Forscher von insgesamt 170 Gigawatt elektrischer Leistung onshore und 59 Gigawatt offshore im Jahr 2050 aus.
Zusammen ist das etwa die fünffache Gesamtleistung der Windkraft von 2016, was einer Verringerung der CO2-Emissionen um insgesamt zwanzig Prozent entspricht. Weitere sechs Prozentpunkte lassen sich durch den Ersatz konventioneller PKW einsparen. Zugleich könnten auch die aktuell in der Diskussion stehenden Stickoxide und Feinstäube in Städten deutlich reduziert werden. Denn die Abgase von Wasserstoffautos bestehen lediglich aus Wasserdampf. Zusätzliche Einsparungen wären durch die Einführung entsprechender Bussen und Kleintransporter möglich.
Niedrigere Anfangskosten
Der Investitionsbedarf für die Infrastruktur hängt in hohem Masse von den kostenintensiven Elektrolyse-Kapazitäten ab. „Für eine anfängliche Flotte von 10'000 Brennstoffzellenfahrzeugen wären zwar schon ein flächendeckendes Tankstellennetz, aber zunächst nur relativ geringe Elektrolysekapazitäten von etwa 23 MW im Jahr 2025 erforderlich“, erläutert Stolten. Denn zunächst würde nur relativ wenig Wasserstoff benötigt.
Um langfristig 75 Prozent der deutschen Pkw – oder geschätzte 33 Millionen Brennstoffzellenautos -- zu versorgen, wäre dagegen ungefähr die tausendfache Elektrolysekapazität mit einer elektrischen Gesamtleistung von 28 Gigawatt erforderlich. Das entspricht in etwa der Leistung von fünfzig Kohlekraftwerken.
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