Ein neuer Bio-Roboter
Von: Joel Bedetti
Philipp Spycher will mit einer neuen Methode zur Modifikation von Antikörpern Medikamente entwickeln, die stabiler sind und dadurch weniger Nebenwirkungen haben.
Philipp Spycher, Gewinner eines PSI Founder Fellowships. In den Händen hält er das Molekülmodell eines Antikörpers. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)
Von Isaac Newton heisst es, er habe seinen Heureka-Moment gehabt, als ihm ein Apfel auf den Kopf fiel. Philipp Spycher hatte seine zündende Idee, als er im August 2015 in seinem Hotelzimmer in Key West nicht schlafen konnte und Bewegung brauchte.
Spycher, Postdoktorand in Radiopharmazie am Paul Scherrer Institut PSI, beschäftigte damals die Frage, wie man Wirkstoffe effizienter an Antikörper binden kann. Denn in Verbindung mit dem Antikörper gelangt der Wirkstoff gezielt zu den erkrankten Zellen im Körper und kann so an der richtigen Stelle seine Wirkung entfalten.
Mit der herkömmlichen Methode wird der Wirkstoff chemisch an den Antikörper gehängt. Dabei entsteht ein Gemisch aus verschiedenen Verbindungen, bei denen der Wirkstoff jeweils an unterschiedlichen Orten an den Antikörper gebunden ist. Das Gemisch ist schwierig zu analysieren und kann schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen.
Spycher kam auf die Idee, einen anderen Ansatz zu verfolgen, bei dem man den Wirkstoff mittels Enzymen präzise und ohne grossen Aufwand direkt an die optimale Stelle des Antikörpers heften kann. Dadurch können diese sogenannten Antikörper-Wirkstoff-Konjugate schneller und günstiger hergestellt werden. Auch sind die so hergestellten Medikamente verträglicher und wirksamer.
Den Forscherdrang hatte Philipp Spycher, 34, schon als Kind: als Teenager las er Zeitschriften wie Bild der Wissenschaft und Spektrum der Wissenschaft. Daraus erfuhr er von der Revolution, die in den Lebenswissenschaften im Gange war: Die Nanotechnologie versprach, sich die Natur in nicht gekannter Präzision nutzbar zu machen.
Von einer Idee war Spycher besonders fasziniert: Nano-Roboter, die Krebszellen zerstören. <q>In unserer Familie ist Krebs ein Thema</q>, sagt Spycher. Seine Grossmutter und ein Onkel starben daran. Nach der Matura studierte er Nanowissenschaften in Basel sowie Biomedizinische Technik an der ETH Zürich. In seiner Doktorarbeit erforschte er, wie sich Moleküle für Zellstudien mit Enzymen modifizieren lassen, und nahm, um diese Forschung zu vertiefen, eine Stelle als Postdoktorand am Zentrum für Radiopharmazeutische Wissenschaften am PSI an.
„Ohne die erstklassige Infrastruktur, das unterstützende Umfeld seiner Gruppe und die grossen Freiheiten hätte ich meine Ideen nicht so verwirklichen können“, sagt Spycher. Im Frühjahr 2017 testete er die Idee, die er in jener Nacht in Key West hatte, und fand überraschend heraus, dass sein Ansatz für alle bekannten Antikörper und eine Vielzahl von Wirkstoffen funktioniert.
Im Juni präsentierte er seine Idee erfolgreich der Jury des PSI Founder Fellowships. In den nächsten 18 Monaten muss er den <q>Proof of Concept</q> erbringen: Den Nachweis, dass seine im künstlichen Laborumfeld getestete Idee auch unter realistischen Bedingungen die gewünschte Wirkung zeigt.
Da Spycher von seiner neuen Methode überzeugt ist, hat er vor, schon bald ein Start-up zu gründen. Dieses soll für Pharmafirmen Wirkstoffe günstiger und effizienter an Antikörper binden, aber auch selbst Medikamente entwickeln.<q>Irgendwie habe ich jetzt doch noch einen Nano-Roboter gebaut</q>, sagt Philipp Spycher. <q>Es ist zwar kein Roboter, wie ich ihn mir mit 14 vorgestellt habe. Aber eine Art Bio-Roboter, der Krebs bekämpfen kann.</q>
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