Geckos im Ausverkauf
Von: Susanne Hufe, idw
Geckos (Gekkonidae) sind eine Familie der Schuppenkriechtiere (Squamata). Sie bevölkern seit etwa fünfzig Millionen Jahren die Erde und haben sich im Laufe ihrer Entwicklung weltweit ausgebreitet. Reptilien sind äusserst beliebte Haustiere, der Handel boomt. Zwischen 2004 und 2014 hat die EU offiziell fast 21 Millionen lebende Exemplare importiert, der Bedarf in der Schweiz ist im Verhältnis ähnlich gross. Unter den importierten Reptilien sind auch viele Vertreter von bedrohten Arten, mit denen sich extrem hohe Gewinne erzielen lassen. Ein internationales Experten-Team um Mark Auliya vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hat nun die Folgen solcher Geschäfte dokumentiert. Die grosse Nachfrage auf dem europäischen Markt gefährdet bereits das Überleben etlicher Arten in aller Welt, warnen die Forscher im Fachjournal Biological Conservation.
Dieser bunte Gecko Cnemaspis psychedelica wurde erst 2010 entdeckt. Der Endemit lebt ausschliesslich auf der gerade einmal acht Quadratkil (Foto: Lee Grismer)
Sie gehören zu den seltensten Reptilien der Welt. Nicht einmal 250 erwachsene Schnabelbrust-Schildkröten sollen neusten Erhebungen zufolge noch durch die Trockenwälder im Nordwesten Madagaskars krabbeln. Damit steht die Art mit dem wissenschaftlichen Namen Astrochelys yniphora kurz vor dem Aussterben.
Zwar hatte die Regierung des Inselstaates 1997 eigens den Baly Bay Nationalpark ausgewiesen, um die verbliebenen Tiere zu schützen. Und der internationale Handel mit dieser Art ist komplett verboten. Doch das scheint Tierfänger und Schmuggler nicht abzuschrecken.
So wurden im März 2013 am Flughafen in Bangkok 54 Madagassische Schnabelbrust-Schildkröten beschlagnahmt. Die Nachfrage von Reptilien-Fans aus Asien, Europa und den USA droht die Schutzbemühungen der letzten dreissig Jahre wieder zunichte zu machen.
Die Schildkröte ist kein Einzelfall. Für ihre Studie haben 37 Wissenschaftler, Naturschützer und Zollbeamte aus 22 Ländern zahlreiche weitere Beispiele von Arten zusammengetragen, für die der Haustier-Markt zu einem ernsthaften Problem geworden ist.
Dabei soll das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES einen solchen Ausverkauf der Natur eigentlich verhindern. Dieses Abkommen, das inzwischen 182 Staaten einschliesslich der EU und der Schweiz unterzeichnet haben, reguliert den internationalen Handel mit bedrohten Tieren und Pflanzen.
In seinem Anhang I sind besonders stark gefährdete Arten aufgelistet, die gar nicht mehr zu kommerziellen Zwecken ein- und ausgeführt werden dürfen. Der Anhang II enthält zahlreiche weitere Spezies, für deren Handel man eine spezielle Genehmigung braucht.
„Mehr als neunzig Prozent der Reptilienarten werden von CITES allerdings gar nicht erfasst“, kritisiert Mark Auliya. Weltweit haben Biologen bisher mehr als 10‘000 Vertreter dieser Tiergruppe beschrieben. Gerade einmal 793 davon fallen derzeit unter die Handelsbeschränkungen.
Viele andere bedrohte Reptilien, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN stehen, haben es bisher dagegen nicht auf die CITES-Anhänge geschafft. Die Orlov-Viper Vipera orlovi zum Beispiel gilt als vom Aussterben bedroht, nicht einmal 250 erwachsene Tiere kriechen noch durch eine kleine Region im Kaukasus. Trotzdem ist der internationale Handel mit diesen Schlangen nicht reguliert. Genauso wenig wie der mit verschiedenen seltenen Geckos aus Madagaskar und Neukaledonien.
Gerade solche Arten aber sind unter Sammlern besonders gefragt. Denn obwohl sie Seltenheitswert haben, kann man sie trotzdem legal und ohne grösseren bürokratischen Aufwand erwerben. Warum also gilt CITES nicht für alle bedrohten Tiere und Pflanzen? „Das liegt zum einen daran, dass der internationale Handel nicht für jede gefährdete Art ein Problem ist“, erklärt Mark Auliya. Es gibt aber auch genügend Fälle, in denen die Aufnahme auf die Anhänge nur an wirtschaftlichen Interessen oder mangelndem politischem Willen scheitert.
Auch wenn eine Art unter dem Schutz des Abkommens steht, ist sie damit allerdings nicht unbedingt in Sicherheit. Immerhin gilt der illegale Handel mit Wildtieren mittlerweile als ähnlich lukratives Verbrechen wie Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Entsprechend gross ist der Anreiz, die Schutzbestimmungen zu umgehen.
Eine Möglichkeit sind zum Beispiel gefälschte Papiere. Da verwandelt sich dann eine CITES-Art im Handumdrehen in einen ungeschützten Verwandten. Oder ein in freier Natur gefangenes Tier in eine angebliche Nachzucht aus Gefangenschaft. Mit diesem Trick gelangen zum Beispiel viele Warane aus Indonesien oder Chamäleons aus Madagaskar auf den Markt.
Doch immer wieder gibt es auch Fälle, in denen sich die Schmuggler gar nicht erst mit Papierkram aufhalten. Da werden interessante Arten heimlich in Koffern oder am eigenen Körper über die Grenzen geschafft, oft von eigens dafür angeheuerten Schein-Touristen. Der Einfallsreichtum ist dabei erstaunlich.
Im September 2007 wurde ein US-Amerikaner verhaftet, der drei Fidschi-Leguane der Art Brachylophus bulabula in einer Beinprothese versteckt hatte. „Dieser Schmuggel ist teilweise kartellartig organisiert“, erklärt Mark Auliya. Dabei wissen die Beteiligten sehr genau, mit welchen Tieren sich die höchsten Preise erzielen lassen: Gefragt sind immer die Raritäten. Neben geschützten Arten geraten deshalb oft auch wissenschaftliche Neuentdeckungen ins Visier. Oder sogenannte Endemiten, die weltweit nur in einem sehr kleinen Verbreitungsgebiet vorkommen.
Kein Wunder also, dass der erst seit 2010 bekannte Gecko Cnemaspis psychedelica (Titelbild) in kürzester Zeit populär geworden ist. Schliesslich schmückt sich dieses kleine Reptil nicht nur mit Farben wie aus einem Drogenrausch, sondern lebt auch nur auf der gerade einmal acht Quadratkilometer grossen Insel Hon Khoai in Vietnam.
Seit 2013 wird es in Europa regelmässig zum Verkauf angeboten - für 2‘500 bis 3‘000 Euro pro Paar. „Regionen, in denen viele solcher einzigartigen Reptilien leben, stehen besonders stark im Fokus der Schmuggler“, sagt Mark Auliya.
Dazu gehören zum Beispiel Mexiko, Sri Lanka oder Madagaskar. In vielen betroffenen Ländern machen Armut, schlechte Ausstattung der Behörden und mangelnde Kontrollen die illegalen Geschäfte besonders leicht. Doch selbst in Australien oder Neuseeland, die strenge Schutzgesetze und eine gut funktionierende Strafverfolgung haben, bleibt die einmalige Fauna nicht verschont.
Gerade für Arten mit kleinen Beständen und eng begrenzten Verbreitungsgebieten kann der Reptilienschmuggel der Studie zufolge dramatische Folgen haben. Doch auch grössere Populationen verkraften oft keine zu intensive Nutzung. So werden Schildkröten und grosse Echsen sehr alt und vermehren sich nur langsam. Massenhafte Verluste durch Tierfänger können ihre Bestände daher schlecht kompensieren.
Was also tun, um den Ausverkauf der Reptilien zu verhindern? Mark Auliya plädiert zum einen für striktere Auflagen, die alle CITES-Mitgliedsstaaten zu einem besseren Schutz ihrer eigenen Vorkommen verpflichten. „Zum anderen müssen aber auch wichtige Importeure wie die EU Verantwortung übernehmen“, betont der Experte. Handlungsbedarf sieht er zum Beispiel bei Arten wie dem sehr begehrten Borneo-Taubwaran Lanthanotus borneensis, für den europäische Reptilienfans derzeit rund 3‘000 Euro pro Paar auf den Tisch legen.
In ihrer Heimat ist die Art zwar geschützt, sie steht bisher aber nicht auf den CITES-Anhängen. Das bedeutet, dass Schmuggler solche Tiere nur einmal aus Borneo herausschaffen müssen. Dann können sie diese ganz offen auf dem europäischen Markt anbieten. In den USA dagegen ist der Handel auch mit Arten verboten, die nicht in den Anhängen von CITES stehen, aber in ihrem Heimatland geschützt sind. „Die EU diskutiert derzeit über die Einführung einer ähnlichen Regelung“, sagt Mark Auliya. „Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung“.
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