Er war nicht der erste, der die Stelle in dem kleinen Park nutzte. Gestern hatte hier eine Gruppe von hochwangigen Indios gestanden, die, bekleidet mit farbenfrohen Stoffen, mit Panflöten und Gitarren Weisen aus dem Hochplateau der Anden zum besten gaben. Der Platz war ideal für solche Vorstellungen: einerseits konnte man, ein wenig erhöht und umringt von Grün, sich dort gut aufstellen, ohne von eiligen Passanten über den Haufen gerannt zu werden. Auf der anderen Seite kamen genug Leute vorbei, die auch in der Lage waren, ein paar Münzen in den Hut vor ihm zu werfen. Noch war dieser leer.
(Foto: Pixabay)
Der Himmel war aufgerissen und blau, als er sich vor der Skulptur aufbaute und seine Geige aus dem hölzernen Kasten nahm. Er wusste genau, in welcher Reihenfolge er die Stücke spielen wollte. Eigentlich war das die Sequenz, die er täglich zum Üben benutzte. Trotzdem war das ein seltsames Gefühl, so im Freien zu stimmen und loszulegen. Er hoffte auf die Ankömmlinge an der Bushaltestelle, die gleich den Weg am Wasser entlang oder mit schnellen Schritten durch den Park schreiten würden. Um sich zu sammeln, zog er seine Augen zu Schlitzen zusammen und versuchte, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken. Das war doch sonst seine Stärke! Es war wie ein Innehalten im bewussten Denken oder Tun, nur seine Hände wussten, was sie zu vollbringen hatten. Ein Teil in ihm erinnerte sich, und jeder Ton baute sich scheinbar von selbst auf, gefolgt von dem nächsten, und seine Finger und der Bogen tanzten über die Saiten. Zeit für die Magie der Töne.
Auf der Bank ein paar Schritte entfernt sass der Mann mit der Zeitung, der immer wieder zu ihm hinsah. Er war der einzige, denn die Passanten hasteten an dem Musiker vorbei, ohne auch nur einen Blick auf ihn zu werfen oder den Schritt zu verlangsamen. Mittlerweile hatte er die Tonart gewechselt, von den leicht zu spielenden in kompliziertere mit vielen Kreuzchen, doch niemand schien das zu bemerken. Nur ein kleiner Junge war stehen geblieben, hatte die Hand seiner Mutter losgelassen und hörte jetzt mit Aufmerksamkeit zu. Sie versuchte, noch einmal seine Hand zu fassen und wollte ihn weiterziehen, aber der Kleine blieb breitbeinig stehen und verschränkte seine Hände auf dem Rücken.
„Mama, hör doch mal!“ Erst jetzt schien die Musik in ihrer Wahrnehmung angekommen zu sein. Sie schaute kurz auf ihre Armbanduhr, nahm dann eine bequemere Stellung ein und schenkte ihm ihre Aufmerksamkeit. „Na gut, das Stück können wir zu Ende hören.“ Sie standen beide und lauschten.
„Ich will auch Geige lernen!“, rief der Junge. „Dafür bist du noch zu klein.“ Unwillkürlich schüttelte der Musiker den Kopf, nur eine angedeutete Bewegung, aber von der Frau nicht unbemerkt. Sie sah ihn fragend an, schien nicht zu wissen, wie früh eine kindgerechte Geigenschule anfangen kann. Er schloss die Augen, um beim Spiel wieder präsenter zu werden. Nach dem Stück spielte er eine Etüde aus der Violinschule von Mozarts Vater, und die beiden blieben noch stehen, während alle anderen weitereilten. Erst nach drei weiteren Darbietungen kramte die Mutter in ihrer Geldbörse, drückte dem Jungen einen Schein in die Hand und deutete auf den Hut „Wir müssen weiter, auch wenn wir noch gern weiter lauschen würden.“ „So viel?“, fragte der Musiker erstaunt und blickte von oben in den Hut, in den einige Passanten im Vorübergehen ein paar Rappen und einen Knopf geworfen hatten. „Sie haben uns zwanzig Minuten den Tag versüsst, da sollen Sie auch etwas davon haben. Vielen Dank!“ „Hätten Sie beide vielleicht Interesse an einem Konzert?“ Er nannte einen berühmten Violinisten, der in Basel auftrat. Sie pustete sich eine Ponysträhne aus der Stirn. „Ausverkauft! Und das könnten wir uns sowieso nicht leisten, da kostet die Karte ...“ „Kein Problem! Sie haben sie sozusagen gewonnen.“
Er gab dem Mann mit der Zeitung einen Wink, und dieser näherte sich. „Alles weitere erklärt Ihnen mein Mitarbeiter.“ Er war froh, sich auf das Experiment eingelassen zu haben und lächelte. Damit sah er seinem Abbild viel ähnlicher, wie es an allen Ecken plakatiert worden war.
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