Life Hacks
Von: Elisha
Es hat länger als die elf Minuten aus der Werbung gebraucht, bis ich mich verliebt habe. Dabei war ich alleinstehend und bei der entsprechenden Partnerbörse eingeschrieben. Meine Freundin Dora feixte schon: „Alle elf Minuten verliebt sich ein Single? Das ist vermutlich immer derselbe.“ Inzwischen halte ich das auch für möglich, denn die Vorschläge der Börse gingen alle ziemlich an mir vorbei. Da war keiner dabei, den ich mal gern getroffen hätte. Trotzdem habe ich Danilo im Internet kennen gelernt, aber ganz anders: in einem Forum über Tipps für den Alltag, sogenannte „Life Hacks“.
Früher hatte ich die entsprechenden Ratschläge in der Fernsehzeitschrift meiner Eltern gelesen, bis diese dazu übergingen, das TV-Programm im Internet abzufragen. Durch Zufall stolperte ich im Netz über das Forum und fand es interessant, dass sich ganz unterschiedliche Leute Gedanken darüber machten, wie man mit einfachen Mitteln das Leben verbessern konnte.
Gerolltes Geschenkpapier konnte man mit leeren Papprollen vom Toilettenpapier bändigen, so dass es nicht auseinanderfiel. Der Clip einer Getränkedose verdoppelte, um den Hals eines Kleiderbügels gehängt, den Raum im Schrank, weil man einen zweiten Bügel einhängen konnte. Eine leere Shampooflasche diente, ausgespült und auf die richtige Art aufgeschnitten, als Hängeeinrichtung fürs Handy zum Aufladen an der Steckdose. Alles simple Tricks, und die Benutzer konnten sie ausprobieren und unter den Beiträgen kommentieren.
Danilo schien bewandert, gab in Kommentaren seine Erlebnisse weiter, und mir gefiel seine Art, sich auszudrücken. Er steuerte auch selbst Tipps bei, meistens hatten sie irgendetwas mit dem Velo zu tun. Ein klappbares Brillenetui für Reifenheber, Kettennieter oder einen Ersatzschlauch, das man sich gleich in die Trikottasche stecken konnte, um das Gewicht der Satteltasche einzusparen. Im Frühling hatte er sich Gedanken darum gemacht, wie man seine Füsse ohne Überschuhe warm halten konnte. Er schlug eine Folie aus Aluminium vor, mit der man den halben vorderen Fuss einwickeln konnte.
„Wie wäre es denn mit dieser Folie mit den kleinen Bläschen, die man zur Polsterung in Paketen benutzt?“, fragte ich, obwohl meine letzte Velotour mit dem Hollandrad meiner Schwester schon Jahre zurück lag.
„Du meinst die Luftpolsterfolie? Tolle Idee!“
Seitdem schreiben wir uns täglich, und vor einer Woche habe ich zum ersten Mal seine Stimme gehört. Unglaublich, wie nah man sich einem Menschen fühlen kann, den man noch nie im Leben von Angesicht zu Angesicht gesehen hat!
„Ich komm zu dir, wenn du nichts dagegen hast, dass ich in Radhosen und Trikot antanze“, schlug er vor.
„Wir können uns auch im Café treffen“, hielt ich dagegen. Ich kannte nämlich eins mit Sportübertragungen.
„Du gibst dir viel zu viel Mühe“, stellte Dora sachlich fest. „Wie bei deinem Exfreund. Da hast du dir dauernd Fussball reingezogen, obwohl du gar nicht drauf stehst. Und jetzt Velorennen?“
„Nur die Tour de France, und nur die Basisfakten“, sagte ich kleinlaut. Sie hatte nicht unrecht.
„Du paukst die verschiedenen Etappen und die mitfahrenden Schweizer!“
„Damit ich mich ein wenig auskenne …“
Als Danilo das Café betrat, war ich alles andere als enttäuscht. Ich kannte ja seine Fotos, aber jetzt wirkte er vital und zum Anbeissen. Unter dem Hemd zeichneten sich seine Brustmuskeln ab, und seine nackten, unbehaarten Beine waren braun gebrannt. Schade, ich könnte mir auch ein netteres Treffen vorstellen, anstatt auf den Fernseher zu starren und fremden Männern beim Radeln zuzusehen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Auch Danilo schien sich zu wundern. Er schaute von mir über die anderen Zuschauer bis hin zum riesigen Bildschirm, und schüttelte langsam den Kopf.
„Müssen wir hier bleiben?“
„Ich dachte, du wolltest das gucken!“
„Ich möchte dich sehen, nicht diese fremden Sportler!“ Er schenkte mir ein bezauberndes Lächeln und fügte dann hinzu: „Komm, lass uns gehen!“
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»