Chropfleerete
Von: Willi Pavan
Von den sich in den vergangenen zwei Wochen überschlagenden, nationalen und internationalen Meldungen ist mein Chropf bis an den Rand gefüllt. Vieles davon muss meinerseits jedoch zuerst verdaut, relativiert und in die Balance gebracht werden, bevor ich es zu Papier bringe. So ist auch meine 142. gesellschaftspolitische Exkursion kein Rundumschlag als vielmehr im wahrsten Sinne des Wortes wiederum eine aus mir heraussprudelnde Chropfleerete, die lediglich ein paar, aber nicht minder wichtige Vorkommnisse kritisch hinterfragt.
Ausschnitt aus dem Gemälde "Zerschnittener Hut" von Willi Pavan
Was soll man davon halten, wenn der frühere deutsche Bundeskanzler (1998 – 2005) Gerhard Schröder (scheinbarerweise ein kleiner Fan von Präsident Putin) das „Amt“ als Chef des Aufsichtsrates von ROSNEF, ein staatliches Unternehmen Russlands, mit einem Umsatz von über zwanzig Milliarden Euro übernimmt?
Hat er bedacht, dass gegen diese Firma Sanktionen seitens der EU bestehen und sein Vaterland im Clinch mit Putin aufgrund dessen Vereinnahmung der Krim ist? Was ist das für ein Vorbild, wenn man speziell bedenkt, dass dieser nun 73jährige, stattliche Mann für die SPD einst eine Art „Kühlerfigur“ war? Ist seine Pension von monatlich 8‘300 Euro so klein, dass er sich von einem fraglichen Unternehmen „vor die Karre“ spannen lässt, um ein super Gehalt von 250‘000 Euro im Jahr (kann man da überhaupt noch von Gehalt sprechen?) zu kassieren?
Ist es, gelinde gesagt, nicht unsagbar, dass mit Nahrungsmitteln auf dem Buckel der Ärmsten spekuliert wird, damit sich die nimmersatten Börsenabzocker noch mehr fraglichen Profit zuschanzen? Wohlgemerkt, der Gewinn geht nicht in die meist leere Tasche der Bauern, sondern eben auf die bereits üppigen Bankkonten der Volks-Schmarotzer. Was unternehmen eigentlich dagegen die vielgepriesenen, internationalen Organisationen, Vereinigungen, hochbezahlten Mitglieder von weltweiten Institutionen, die sich immer damit brüsten, für die gesamte Weltbevölkerung für Gerechtigkeit, sinnvolle Verteilung der Güter einzustehen? Ich meine, ausser grossen „Statements“ von sich zu geben, Zusammenkünfte mit grandiosen Partys zu feiern und natürlich nicht gerade kleine Honorare zu kassieren?
Es ist bestimmt nicht weltbewegend, aus helvetischer Sichtweise aber dennoch erfreulich und eventuell auch zukunftsweisend. Wir haben einen neuen Bundesrat aus unserem Sonnenkanton, der als Vertreter einer Minderheit vielleicht etwas näher beim Volk ist wie andere.
Ignatio Cassis besass nebst der helvetischen Nationalität auch die unseres südlichen, schönen Nachbarlandes, wo die „Zitronen blühen“. Ohne grosses Tam-Tam hat er nun den grünen Pass abgegeben. Bravo!..war mein erster Gedanke. Aufstossend indes ist, dass er auf die italienische Staatsbürgerschaft nur verzichtete, damit die Doppelbürgerschaft seine Wahl in den Bundesrat nicht belastet. Hoffe, dass die Neueingebürgerten daraus ihre Lehre ziehen, sich rechtzeitig alleinig für die Schweiz entscheiden und vom „Fünfer und Weggli-Denken“ abkommen.
Immer wieder hört man, dass wir eines der reichsten, wohlhabendsten Länder der Welt sind. Die Statistik (wie sagte bereits der frühere britische Premierminister Sir Winston Churchill: - „Ich glaube nur an Statistiken, die ich selbst gefälscht habe“) zeigt uns dementsprechend ein Bild, wonach wir alle fast Minimillionäre wären.
Yuhuuh - „Wer’s glaubt wird selig“... Da stachen mir kürzlich in einer Schlagzeile die folgenden zwei Worte: „Drastische Sparmassnahmen“ in die Augen und frohlockte, dass die Politikerinnen und Politiker nun einsichtig geworden sind und für ihre Aufbauschung des Staates und ihre unseligen Steuergeschenke nicht mehr die kleine Frau, den kleinen Mann zur Kasse bitten, sondern das Geld dort holen, wo es vorhanden ist, namentlich bei den Bezügern von exorbitanten Bonis, Abfindungen und Gehältern gewisser Damen und Herren, die in einer total abgehobenen, irrealen Welt leben, welche dem bodenständigen, arbeitenden Durchschnittsbürger ferner als Mars ist.
Aber Nein! Trotz Milliarden an brachliegendem Geld, das von den Besitzern nie und nimmer innerhalb ihres Lebens unters Volk gebracht werden kann, bestraft die Politik für ihre Haudegen-, nicht über die Nasenspitze hinausdenkende Mentalität wieder Mal jene Bevölkerungsschicht, die sich am wenigsten wehren kann und keine Lobby hat.
Da wird doch tatsächlich in unserer grössten „Metropole“ die Beratung für Blinde gestrichen! Ist das wirklich menschenmöglich in unserer doch so reichen Schweiz!?
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass in der Schweiz gemäss der Credit Suisse-Studie „Global Wealth Report“ ein Prozent der privaten Steuerpflichtigen mehr besitzt als die restlichen 99 Prozent.
Beenden möchte ich meine Chropfleerete-Exkursion mit einem bedeutungsvollen, aufstellenden Hinweis: Der Schweizer Forscher Jacques Dubochet, geb. 1942 in Aigle, hat, wie er explizit hervorhob, auch dank seiner MitarbeiterInnen den wichtigen und begehrten Nobel-Preis für Chemie erhalten.
Ja, als kleine Nation dürfen wir auf die grosse Anzahl ausgezeichneter Mitmenschen, die mit grossen Wissen, Engagement und Durchhaltevermögen Überdurchschnittliches für die Menschheit leisten, echt stolz sein.
In diesem Sinne verbleibe ich, Euer
Willi Pavan (KKK), Künstler und kritischer Kommentator, Rheinfelden
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