Photovoltaik muss nicht unästhetisch sein
Von: Martin Steinacher
Heute ist es gängige Praxis, bestehende Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen zur Erzeugung von Solarstrom auszurüsten. Vieles spricht dafür, noch einen Schritt weiterzugehen und Gebäude aus Komponenten zu bauen, die Strom produzieren und gleichzeitig eine konstruktive Funktion erfüllen. Diese gebäudeintegrierte Photovoltaik wird vermehrt mit diversen Lösungen am Markt erprobt. Ein innovatives Beispiel sind die Dachelemente der Firma Designergy aus San Vittore im Bündner Misox.
Mehrfamilienhaus in Brütten. Die matt gehaltene Fassade ist nicht auf den ersten Blick als Solar-Fassade mit Photovoltaikmodulen zu erkennen. (Foto: Ernst Schweizer AG)
Rund ein Vierteljahrhundert ist es her, seit die Photovoltaik (PV) zu ihrem „Siegeszug“ ansetzte. Seither stellte sich regelmässig die Frage, wie PV-Module auch ästhetisch ansprechend in den architektonischen Gesamtentwurf von Gebäuden eingebunden werden können.
In den 1990er-Jahren – im Zuge des Aktionsprogramms «Energie 2000» zur Förderung der erneuerbaren Energien – entwickelten Schweizer Solarstrom-Pioniere fortschrittliche Lösungen zur Gebäudeintegration der Photovoltaik. Damals waren gebäudeintegrierte PV-Module nur wenig teurer als die normalen PV-Module.
Dann aber begann der Boom der Standardsolarmodule und es brach der grosse Preiskampf in der Solarindustrie los. Mit einmal waren die klassischen PV-Module nur noch einen Drittel so teuer wie gebäudeintegrierte Lösungen. Letztere hatten nun plötzlich einen schweren Stand.
Ruf nach gebäudeintegrierten Lösungen, nach Jahren des Preiskampfes meldet sich die gebäudeintegerierte Photovoltaik unterdessen wieder zurück, oft unter der englischen Abkürzung BIPV (für: building integrated photovoltaics).
PV-Module, die neben der Stromproduktion auch eine bauliche Funktion erfüllen, besetzen zwar immer noch einen Nischenmarkt. Doch das Interesse ist erheblich, wie eine Umfrage bei Schweizer Hausbesitzern im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 70 «Energiewende» ergab: Ein Grossteil der befragten Personen bevorzugt architektonisch integrierte PV-Module, und die meisten von ihnen sind auch bereit, für diese Module etwas mehr auszulegen.
Inzwischen fehlt es auch nicht mehr an guten, teils sogar spektakulären Beispielen. Eines ist das Plusenergie-Gebäude an der Hofwiesenstrasse in Zürich. Das Mehrfamilienhaus aus den 1980er-Jahren wurde kürzlich umfassend saniert. Die aktive Glasfassade des BFE-Leuchtturmprojekts ist mit speziell eingefärbten monokristallinen Modulen ausgestattet, die eher an eine matte Metallfassade erinnern als an PV-Zellen.
Überhaupt hat Photovoltaik heute sehr unterschiedliche Gesichter. Module sind in verschiedenen Farbtönen einschliesslich terracotta und weiss erhältlich, ebenfalls mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen und Beschichtungen (vgl. dazu auch den Artikel «Die Photovoltaik macht sich unsichtbar».
Diese Vielfalt eröffnet Architekten neue Freiheitsgrade in der Gestaltung. Dachelement produziert Strom und ist mehr als Farbgestaltung. Immer häufiger übernehmen PV-Module die Funktion von Baumaterialien, ersetzen also die äusserste Schicht der Fassade oder die Dachziegel. In diesem Fall werden Solaranlagen als integrale Teile der Gebäudehülle verstanden, die in der Lage sind, aus der Sonne Energie zu erzeugen.
Die Firma Designergy SA entwickelt und produziert Dachelemente, die Wärme dämmen, gegen Wasser abdichten und Solarstrom produzieren. Die dreifache Funktion gab den Elementen den Namen Triactive Core Roof (TCR). Das Jungunternehmen wurde in den letzten Jahren mehrfach für seine innovative Technologie ausgezeichnet (z. B. Watt d’Or). Der Technologiefonds – ein klimapolitisches Instrument des Bundes – unterstützt Designergy mit einer Bürgschaft.
Durch das ganzheitliche Engineering und die optimierte Einbindung auch der tragenden Struktur haben solche Dächer gegenüber einem konventionellen, nicht mit PV-Modulen bestückten Dach Mehrkosten von lediglich 5 bis 8 %. Die Kostenparität ist also zum Greifen nah. Mit der Kostengleichheit wäre ein wichtiger Einwand entkräftet, der die Entwicklung der BIPV bisher noch bremst.
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