Nationale Konferenz „evaluiert“ die Digitalisierung
Von: mm/f24.ch
„Wie kann die Schweiz die Chancen der Digitalisierung in allen Lebensbereichen konsequent nutzen und dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellen?“ Darüber diskutierten gestern in Biel an einer nationalen Konferenz rund 700 Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Dabei wurden zahlreiche konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der Strategie "Digitale Schweiz" des Bundesrates gemacht. An der Konferenz nahmen Bundespräsidentin Doris Leuthard und Bundesrat Johann Schneider-Ammann teil.
"Die Schweiz hat im Rennen um die digitale Zukunft einen guten Startplatz", betonte Bundespräsidentin Doris Leuthard in ihrer Ansprache zur Eröffnung der vom Bundesamt für Kommunikation erstmals organisierten Konferenz "Digitale Schweiz". Allerdings seien eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein ständiger Dialog zwischen allen Anspruchsgruppen notwendig, um die Chancen der Digitalisierung nicht zu verpassen und um sicherzustellen, dass alle Menschen von den Vorteilen der aktuellen Entwicklungen profitieren könnten. Die Bundespräsidentin rief dazu auf, beim Erforschen von neuen digitalen Möglichkeiten mehr Risikobereitschaft an den Tag zu legen. Auch beim E-Government, wo die Schweiz nicht unter den Spitzenreitern figuriert, ortete sie Verbesserungspotenzial.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann strich zum Abschluss des Anlasses die Bedeutung von Bildung und Begeisterung für Technologie sowie die Innovationsfähigkeit heraus: "Treiben wir uns weiter zu Höchstleistungen an, und blicken wir nach vorne, um gemeinsam eine erfolgreiche digitale Zukunft zu gestalten", forderte er die Teilnehmenden auf.
An verschiedenen Diskussionspanels und Workshops beleuchteten Persönlichkeiten und Expertinnen und Experten aus allen Stakeholdergruppen die bisherige Umsetzung der bundesrätlichen Strategie "Digitale Schweiz". Sie erörterten die neuesten Trends der Digitalisierung und den konkreten Handlungsbedarf, der sich für die Schweiz daraus ergibt. Die Ergebnisse der Konferenz bilden die Grundlage für die Überarbeitung der Strategie "Digitale Schweiz" des Bundesrats. Eine neue Version wird zusammen mit einem aktualisierten Aktionsplan im nächsten Jahr verabschiedet.
Tagungsgast
Eingeladen an der Tagung war der frühere Chief Information Officer (CIO) der Regierung von Estland, Taavi Kotka. Er zeigte auf, welcher Prozess notwendig sei, damit sich ein Land zu einer Vorzeigenation der Digitalisierung entwickeln könne. Taavi Kotka verdeutlichte in seiner Rede, dass eine solche Entwicklung das Erkennen von Handlungsbedarf voraussetze und die Denkweise der gesamten Gesellschaft herausfordere. Der Prozess könne mit Einsatz bestimmter Katalysatoren indes beschleunigt werden.
Mehrwert der Digitalisierung für das Staatswesen
Welchen Mehrwert erzielt die Digitalisierung für den Austausch zwischen dem Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern? Mit dieser Frage setzte sich ein Diskussionspanel unter dem Titel "Digitale politische Gouvernanz" auseinander, an dem Bundeskanzler Walter Thurnherr, Nationalrat Franz Grüter, die Genfer Staatskanzlerin Anja Wyden Guelpa, der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller und Daniel Graf von wecollect.ch teilnahmen.
Dabei wurde unterstrichen, dass die Schweiz ihren eigenen Weg finden müsse, die Behörden aber vermehrt neue Möglichkeiten der Digitalisierung austesten sollten. Zudem sei die junge Generation mit digitalen Mitteln verstärkt für eine Teilnahme an unseren politischen Prozessen zu gewinnen. Dies erfordere jedoch mehr Transparenz bei der Willensbildung und eine Stärkung von Vertrauen und Sicherheit beim E-Government.
Konkreter Handlungsbedarf aus Sicht der Anspruchsgruppen
In Workshops zu den Themen Bildung in der digitalen Gesellschaft und Wirtschaft, Innovation, Arbeitsmarkt 4.0, Datenpolitik, Behördendienstleistungen und Service public, Sicherheit, Resilienz und Vertrauen sowie Energie und Ressourceneffizienz formulierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in interdisziplinären Diskussionen ihre Kernerkenntnisse und Thesen. Eine Zusammenfassung der Workshops soll demnächst auf der Website www.digitaldialog.swiss publiziert werden.
Die digitale Schweiz von morgen
Die Teilnehmer des Schlusspanels diskutierten die Kernergebnisse der Workshops und waren sich einig, dass der Bildung eine grundlegende Bedeutung zukommt für eine gezielte und nachhaltige Weiterentwicklung der digitalen Schweiz. Die Panelisten forderten mehr Offenheit und ein gemeinsames, interdisziplinäres und branchenübergreifendes Herangehen an die neuen Herausforderungen.
Trotz sehr guter Ausgangslage bestehe Handlungsbedarf, damit die Schweiz auch auf internationaler Ebene konkurrenzfähig bleibe. Im Sinne eines Fazits wurde unterstrichen, dass eine erfolgversprechende Weiterentwicklung der digitalen Schweiz nur möglich sei, wenn alle mehr Verantwortung übernähmen. Dabei stehe der Mensch im Zentrum. Arbeiten in Silos gehöre definitiv der Vergangenheit an; wichtig sei eine Partizipation aller, die Vernetzung und das Schaffen von innovativen Kooperationen.
Fazit
Ein doch eher mageres Resultat in Anbetracht von siebenhundert Köpfen, welche über eine Zeit nachgedacht haben in der, wie im Fazit richtig erfasst, „Arbeiten in Silos“ passé sind oder wie es ein Ökonom formulierte: dass die Welt innert kürzester Zeit auf den Kopf gestellt und Artikel 23 der Menschenrechte „Recht auf Arbeit“ zur Makulatur werde.
Gemäss dem Ökonom Erik Brynjolfsson wird sich die Lohnschere infolge der technologischen Entwicklung weiter öffnen und der Mittelstand wird ausgehöhlt, weil neue Jobs nur noch für Unqualifizierte und Hochqualifizierte geschaffen würden.
Noch härter deutet der Investor Albert Wenger die Zukunft: „Der digitale Wandel wird die Arbeitswelt nicht nur verändern, er wird sie pulverisieren. Der Mensch wird aber nicht überflüssig, er wird arbeitslos.“
Daher kann in den Erwägungen ein künftiges - vom Schweizer Volk am 5.6.16 mit 78 % noch hochkantig abgelehntes – Grundeinkommen nicht ausgeschlossen werden, weil fürs Überleben die Wirtschaft zwar „keine“ ArbeiterInnen, aber Konsumenten und Konsumentinnen braucht.
Karin Frick, Leiterin Research und Mitglied der Geschäftsleitung vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) skizierte im September 2017 am Wirtschaftsforum Fricktal in Gipf-Oberfrick die Digitalisierung wie folgt:
- Die Arbeitswelt wird transformiert - der Übergang von traditionellen zu neuen Arbeitsformen verursacht heftige Turbulenzen und dauert
- Flexible Arbeitsformen, -zeiten, -orte nehmen zu. Festanstellungen nehmen ab
- Die Grenzen lösen sich auf: zwischen intern und extern, arbeiten und lernen, Firma und Kunde, Erwerbstätigkeit und Ruhestand
- Hierarchien werden unwichtiger, Netzwerke werden wichtiger
- Wenn Digitalisierung alle gleich (effizient) macht, werden die Menschen wieder wichtiger als Erfolgsfaktor
- Entscheidend: Wem gehören die Roboter? Wie wird Energie produziert?
- Wie sollen Automatisierungsgewinne verteilt werden?
Diese Art der Digitalisierung hält sich noch bedeckt, aber sie ist wie „Uber“ die das Taxigewerbe oder wie „Airbnb“ die das Hotelgewebe arg in Bedrängnis bringen urplötzlich da. Wenn seitens der Politik erst dann darauf reagiert wird wenn sie da sind, ist der Zug eben schon abgefahren.
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