Aargau kontra Führungsanspruch des Bundes im öV
Von: mm/f24.ch
Der Kanton Aargau will auch in Zukunft über die Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in seinem Hoheitsgebiet mitbestimmen. Deshalb lehnt der Regierungsrat die geplanten Systemführerschaften des Bundes im öffentlichen Personenverkehr in der Vorlage "Organisation der Bahninfrastruktur" (OBI) ab. Zusammen mit den Kantonen Glarus, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen Thurgau, Zug, Zürich und der regionalen Konferenz des öffentlichen Verkehrs Zürich KöV-Zürich (Glarus, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Thurgau, Zug und Zürich) wehrt sich der Aargau gegen die Einschränkung der kantonalen Kompetenzen. Der öffentliche Verkehr soll eine Verbundaufgabe bleiben, bei der die Besteller ihrem finanziellen Engagement entsprechend auch mitwirken können. Das Geschäft war gestern in der Verkehrskommission des Nationalrats traktandiert.
Im November 2016 verabschiedete der Bund die Botschaft zur Vorlage "Organisation der Bahninfrastruktur" (OBI) zuhanden des Bundesparlaments. Obwohl es sich dem Namen nach um eine Vorlage zur Bahninfrastruktur handelt, fügte der Bund auch Änderungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBG) in die Botschaft ein.
Unter anderem will der Bund im öffentlichen Personenverkehr Organisationen oder Unternehmen als sogenannte Systemführer einsetzen. Diese nähmen übergeordnete Aufgaben für die gesamte öV-Branche wahr und würden dazu mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet. Beispielsweise hätte ein Systemführer die Kompetenz, schweizweit die Billettpreise oder das Billettsortiment festzusetzen.
Gefahr eines Angebotsabbaus
Als Besteller des Verkehrsangebotes tragen die Kantone den überwiegenden Teil der ungedeckten Kosten im öffentlichen Verkehr. Diese Kosten werden direkt durch den Tarif beeinflusst, denn dieser bestimmt die Höhe der Einnahmen.
Mit einem Tarifdiktat eines Systemführers, wie es die Regelung des Bundes vorsieht, verlieren die Kantone die Möglichkeit, auf die eigenen Tarifverbunde Einfluss zu nehmen. Die Kantone können die Höhe des Defizitbeitrages nur noch über den Umfang des von ihnen bestellten Verkehrsangebotes steuern. Dies bedeutet, dass bei einer angespannten finanziellen Lage des Kantons ein Abbau des Angebots und der öV-Qualität in den Regionen droht.
Die Vorlage OBI missachtet nach Auffassung der Kantone die Rolle der Besteller und die Finanzierungsmechanismen im öffentlichen Verkehr grundlegend. Heute bezahlen die Kantone und Gemeinden der Schweiz rund 2,3 Milliarden Franken pro Jahr an die ungedeckten Kosten des öffentlichen Verkehrs. Den Orts- und Agglomerationsverkehr, in dem nota bene mit Abstand die meisten Fahrten absolviert werden, decken die Kantone und Gemeinden alleine ab. Der Bund steuert 0,9 Milliarden Franken an den Regionalverkehr bei.
Der Bund, der im Kanton Aargau nur knapp ein Drittel der Gesamtkosten übernimmt, könnte aufgrund der Gesetzesvorlage OBI alleine einen Systemführer in Tariffragen bestimmen befürchtet die Aargauer Regierung. Dieser wiederum könne Entscheidungen treffen, ohne selbst für die finanziellen Konsequenzen verantwortlich zu sein. Die Kantone jedoch hätten trotz dem höheren Kostenanteil kein Mitbestimmungsrecht. In dieser Hinsicht unterläuft die Vorlage den Grundsatz, wonach Entscheidungskompetenz und Finanzverantwortung übereinstimmen müssen, und negiert das Prinzip des föderalistischen Staatsaufbaus.
Unausgereifte Gesetzesvorlage
Der Bundesrat legte nach Ansicht der Kantone in seiner Botschaft weder die Problemstellung noch die Notwendigkeit einer derart folgenschweren Regelung dar, obwohl die Kantone eine solche in der Vernehmlassung verlangt haben. Vielmehr soll für den Bund ohne Not eine Generalermächtigung im Gesetz verankert werden.
In der öV-Branche sind aktuell Arbeiten im Gang, um die Schweizer Tarif- und Vertriebslandschaft zu vereinfachen. Es wiederspreche dem Subsidiaritätsprinzip, dass der Bund inmitten dieses Prozesses mit einer zentralisierten Lösung vorpreschet.
Der Aargauer Regierungsrat – gemeinsam mit den anderen Kantonen der regionalen Konferenz des öffentlichen Verkehrs Zürich (Glarus, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Thurgau, Zug und Zürich) – fordert daher, die vorgesehenen Änderungen des PBG betreffend die Systemführerschaften aus der Vorlage OBI zu streichen.
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